Donnerstag, 19. April 2012

Wie kannst Du sowas nur tun?!

Diese, ob des in ihr mitschwingenden Entsetzens, oft halb tonlos ausgestoßene Entrüstungsforlmel kann man gelegentlich im RL hören: „Wie kannst Du nur so was lesen?! Das ist doch Schund und besonders emanzipiert ist es auch nicht“ fragte mich ein Bekannter als er den Ausdruck von die Meuchelmörder von Gor auf meinem Sofa vorfand. Klar kann ich. Denn John Norman beschreibt zwar eine männerdominierte und für Frauen weitgehend diskriminierende Welt, die über alle Maßen sexistisch ist, aber: Er hat deswegen seine Frau nicht gezwungen einen Stahlkragen zu tragen und auf Knien sein Essen zu servieren. Es handelt sich also um Romane, frei erfundene Fiktion. Es ist kein Sachbuch. Norman erhebt nicht den Anspruch die Welt von Gor über seine Bücher hinaus in die Wirklichkeit zu transferieren wohlgleich er Bezüge zur Realität herstellt und somit ganz klar macht das Gor eine Parallelwelt ist. Man kann sich an Tarls Abenteuern erfreuen oder man kann es sein lassen. Übrigens: In dem Film Sin-City werden Frauen nicht viel Besser dargestellt: Nahezu alle Frauen dort werden als überaus Attraktiv dargestellt und ich glaube alle bis auf Marves Bewärungshelferin, die in der einzigen Szene nackt zu sehen ist sind alle anderen erwachsenen weiblichen Charaktere Prostituierte oder Table-Dancer. Der Film spielte 158 Millionen US$ ein und allein in Deutschland, und das obwohl der Film in fast allen Ländern stark boykottiert und streng reglementiert wurde.
Auch der Musikzweig der Rap-Music, der sich ebenfalls nicht wirklich durch einen Einsatz für den Gleichstellungsgedanken hervortut boomt wie noch nie. Und es gilt heute unter jungen Mädchen und Frauen als "In" eben die geilste Schlampe zu sein und ähnlich wie junge Männer die Penislänge vergleichen junge Frauen gelegentlich inzwischen Körbchengrößen. Also, warum um alles in der Welt sollte ich mich nicht darüber Freuen wie Tarl sich durch Reihen von Feinden metzelt um seine geliebte Talena wieder zu finden?!

Aber auch in Secondlife begegnet einem diese Beschwörungsformel „Wie konntest Du das nur tun?!“ gelegentlich. Zuletzt wurde ich damit gestraft nach einem Kampf bei den inzwischen wieder verblichenen Asgard Pirates. Die Geschichte ist schnell erzählt: Die Pyrana griffen die Asgard an und gewannen ausnahmsweise mal. Statt ängstlicher Fragen wie es nun weiter ginge, mussten wir uns Drohungen anhören was man mit uns alles anstellen würde wenn man wieder frei wäre. Da keine meiner Schwestern Anstalten machte den Schmährufen Einhalt zu gebieten, schritt ich als damalige En eben selbst zur Tat. Und dachte: Gut ich drohe mal in der Art der Pyrana mal einen Kill an, vielleicht kommt diese Piratin ja dann zur Vernunft. Ich führte sie hinter einen Hausecke um die Exekutionsstimmung zu vertiefen und hielt ihr mein Messer an die Kehle. Ich erwartete ein Einlenken aber es kam zur Antwort nur: „Ist mir doch egal ob Du mich tötest. Wenn Du mich tötest wird mein Clan dich und deinen ganzen Stamm umbringen!“. Tja da stand ich nun vor der Wahl mich von einer gefesselten, entwaffneten Gefangenen verbal einschüchtern zu lassen, oder das „Ist mir egal“ für bare Münze zu nehmen zu zuzustechen. Um sicher zu gehen wies ich meine Gegenspielerin via IM darauf hin, dass ich durch ihr Spiel davon ausgehe, dass sie nichts gegen einen Kill einzuwenden habe. Spätestens jetzt hätte ich ein einlenken, oder zumindest eine Gegenfrage erwartet in der Art wie: „Oh, habe ich nicht bemerkt, also ich würde ungern gekillt werden, wie können wir das anders ablaufen lassen, so dass ich überlebe?“. Doch an Stelle dessen gingen die IM-Fenster auf und Gruppen Leitungen und Sim-Admins drohten mir Banns und NO RPs an wenn ich hier einen kill ausführen würde. In der Zwischenzeit hatten meine Schwestern einen Handel geschlossen und fingen an sich zurück zu ziehen während der Käufer unserer Gefangenen bereist anfing diese zu befreien und sich einige mit neuen Waffen ausrüsteten. Ich musste mich also beeilen und um einen sofortigen Gegenangriff zu verhindern war es nötig irgendetwas zu unternehmen. Ein Kill hätten stärkste Sanktionen nach sich gezogen, die Gefangen einfach frei zu lassen, hätte den sofortigen Gegenschlag der Asgard ermöglicht, also bleib nur die Möglichkeit einer Verletzung, so dass sie wenigstens eine zeitlang Kampfunfähig sein müsste. Ich entscheid mich zu einer Taktik die ich mal von meiner alten Se gelernt hatte, nämlich meiner Gefangenen die Beugesehen der rechten Hand zu zerschneiden und sofort zu verbinden. Ich wies sie noch darauf hin dass, sofern die Verletzung innerhalb einer Stunde genäht würde, sie folgenlos ausheilen würde. Somit hatte ich eigentlich nichts anderes getan als denen aufzudrücken, dass sie jetzt eben binnen einer Stunde einen Heiler auftreiben müssten und in der Zeit eben nicht bei uns angreifen konnten. Anschließend zog ich mich im Feuer von Jekyll zurück und alle Schwestern konnten entkommen.
Zu Hause musste ich mir schwere Vorwürfe gefallen lassen, was mir den eingefallen sei. Ich hätte einen Egotripp hingelegt, ich müsse mich bei den Asgard entschuldigen und drei Schwestern nahmen das Ereignis zum Anlass den Stamm zu verlassen. Eine von ihnen schrieb sinngemäß in ihrer NC die Frage, wie ich denn so was tun können, ich als Ärztin?

Die Antwort ist recht einfach. Ich mache es einfach. Ich spiele eine En, eine Jägerin in der harten, wilden und brutalen Welt von Gor. Ich bin im RL nicht diese Jägerin und ich bin in SL nicht die Ärztin. Auch ein Schauspieler nimmt seien Rolle nicht mit ins RL. Sie bleibt auf der Bühne oder am Filmset. Ich bin sicher dass Anthony Hopkins noch nie daran erwogen hat Menschenfleisch zu essen, nur weil er die Rolle des Hanibal Lecter gespielt hat.
Ich genieße meine Ausflüge nach Gor. Jeder der im medizinischen Bereich tätig ist weiß, dass Freundlichkeit und Einsatzbereitschaft zwingend zum Arbeitsleben dazu gehören. Gerade in den operativen Fächern sind 60 oder 70 Stundenwochen bei einem Arbeitsvertrag über 40 Stunden keine Seltenheit. Und oft genug müssen wir uns von Patienten anhören: „Bitte helfen sie mir, aber wenn ich mich behandeln lasse möchte ich diese, jene und solche Bedingungen erfüllt haben.“ Diese „Putz mich, aber mach mich nicht nass“- Mentalität greift in Deutschland um sich wie ein Krebsgeschwür. Jeder der ins Krankenhaus kommt will sofort die behandelt werden, mit dem maximalen Aufwand an Diagnostik und Therapeutischemeinsatz, aber wenn er die 10 Euro Paxisgebür bezahlen soll beschimpft man die Kassendame weil das ist ja eine Unverschämtheit. Man hat in Deutscland zwar Geld für einen neuen Blue-Ray-Player aber niemand will Geld für seine Gesundheit ausgeben. Wie oft musste ich mir schon drohen lassen von wildgewordenen Patienten: Ich kann garnicht mehr zählen wie viele Alkoholintoxikierte, Junkies und Persönlichkeitsgestörte sich schon mein „Gesicht gemerkt“ haben oder um Schlange stehen um mich „Schlampe“, „Fotze“ oder „Nutte abzustechen, umzubringen, zu ficken“ oder sonst wie „fertig zu machen“ und wie viele Klagen ich wohl noch erwarten muss weil ich irgendeinen Menschen gegen seinen Willen ins Krankenhaus gebracht habe. Und ich mache den Job erst seit neun Jahren.
Bei allen diesen Patient, auch wenn sie hinterlistig sind, unhöflich, beleidigend, drohend, sexistisch, verletzend oder gewalttätig, auch wenn sie mir gerade direkt auf die Hose gekotzt haben oder ich mit den Füßen in einer Pfütze aus Blut und oder Urin stehe so respektiere ich diesen Menschen. Auch wenn ich affektiv nichts lieber täte als ihm einen saftigen Arschtritt zu verpassen, weiss ich doch, dass dieser Mensch meine Hilfe braucht, und dass ich wahrscheinlich gerade die einzige in der Nähe bin die im in angemessener Weise helfen kann. Und darum mache ich meine Arbeit gerne. Ich bleibe auch gerne mal etwas länger, wenn noch einen venöser Zugang zu legen ist, oder wenn die Narkosesprechstunde mal wieder etwas länger gedauert hat. Ich schlage mir gerne die Nächte um die Ohren und trage auch meine Augenringe mit Stolz. Die Zeiten wo man von den Patienten bei der Entlassung noch mal eine Flasche Wein, oder ein frisch geschlachtetes Huhn als Dank bekam sind leider schon lange vorbei. Narkoseärzte wie ich können mit so was sowieso eher selten rechnen, denn der Star einer Operation ist der Chirurg oder der Stationsarzt der den Patienten betreut hat. Die meisten Patienten halten mich sowieso für eine Krankenschwester. Eine Notärztin oder eine Anästhesistin macht nur ihren Job. Dafür hat man doch bezahlt als man sich Krankenversichert hat, oder? Im Gegenteil, man war sogar noch so nett und hat seinen Notfall genau dann entwickelt als ich gerade im Dienst war. Damit hat man mir einen riesen Gefallen getan weil ich mir ja nichts Schöneres vorstellen kann nachts um drei entscheiden zwischen verbogenem Stahl und Glassplittern halb durch die Fahrertür hängend einen betrunkenen Autofahrer zu intubieren weil die Feuerwehr noch auf das Gerät wartet mit dem sie ihn frei schneiden kann. Ich stehe nicht auf Fernsehabende mit meinem Mann, ich mag auch keine romantischen Candle-Light-Dinners und ich gehe auch nicht gerne Einkaufen oder ins Theater oder ins Kino. Nein mein Fetisch ist es nachts um halb eins im Schneematsch an der B1 irgendjemandem den Blutdruck zu messen der wahrscheinlich nur ne Panikattacke hatte. Oder einen randalierenden Alkoholiker in der kleinen Kneipe an der Ecke zu beruhigen. Das ist mein Ding!

Ach ja, und ich genieße es, hier in Gor, einfach mal anders spielen zu können. Wenn mich hier jemand anblafft, darf ich zurück blaffen, wenn mich jemand haut, darf ich zurück hauen. Ich darf auch meine Meinung ungefiltert sagen. Ich muss auch nicht für alles Verständnis haben zum Beispiel nicht dafür wie sich derselbe Mensch auf der einen Seite in seinem Blog nicht darüber einkriegen kann, dass es endlich mal geklappt hat einen Kill valide auszuspielen und sogar noch ein Pledoyer für mehr Mord auf Gor veranstaltet ( http://blog.no-carrier.info/2011/06/12/der-kleine-killfuhrer/ und http://blog.no-carrier.info/2011/06/06/rationierte-morde/ ) während er auf der anderen Seite in hiesigen Blog den Vorwurf anklingen lässt:
„...das habe ich anders in Erinnerung, man durchschneidet schon mal nur beim Gegenüber die Strecksehnen, um im Alleingang die Ehre des Tribes zu retten. Ach ja, war ja nur eine Asgard gewesen... wen kümmert es schon, was die meint...“
Diese leicht gespalten anmutenden Haltung verhilft mir jetzt dazu, auch endlich mal sagen zu können: Wir kannst Du so was nur tun?!

In diesem Sinne

Eure
Cori

1 Kommentar:

Bartholomew Gallacher hat gesagt…

Ich habe dir dazu heute schon alles, was es dazu zu sagen gibt, in world per IM gesagt. Dem habe ich nichts wegzunehmen noch hinzuzufügen, du weißt Bescheid und kennst meine Meinung.

Arrividerci.