Bald ist es wieder so weit, ab dem 29.6. rollt die Tour de
France wieder durch das Land von Rotwein und Baguette. Und pünktlich zum Start taucht
das Thema Doping wieder in den Medien auf. Das Geständnis von Pedallegende
Lance Armstrong ist ja inzwischen schon fast verjährt da versucht sich auch der
größte Held der Tretkurbel aus deutscher Sicht, nämlich Jan Ullrich an einer
Dopingbeichte und gibt dem Focus ein Interview. Hurra! Und jetzt auf den
Scheiterhaufen mit dem Sünder!
Direkt hinter dem Peloton rollt nämlich ein zweites Feld
durch die Lande und zwar das der gespielten Empörung! Bis jetzt dachten wir nämlich
alle dass man mit harten Training Müsliriegeln und Energydrinks mit 30
Studnekilometern einen Berg rauf fahren kann, wenn man nur fleißig genug
trainiert. Denn genau das wollten wir sehen und genau das haben wir gekriegt.
Das beste was ich zu dem Thema jemals gelesen habe ist das
Buch von Tyler Hamilton einem ehemaligen Teamgefährten von Lance Armstong und
ehemaligen Anwärter auf den Toursieg. Das Bucht heisst „Die Radsportmafia“ und
veranschaulicht sehr schön nach welchen Gesetzmäßigkeiten der Radsport
funktioniert.
Zum Thema passender Internetfund. |
Es ist bei Leibe nicht so, dass drei oder vier Fahrer mit
den Erzeugnissen der modernen Pharmaindustrie und Medizin ihre Leistung
aufbessern und dann überlegen das ganze Feld deklassieren. Vielmehr muss man
davon ausgehen dass nahezu das ganze Fahrerfeld mehr oder weniger
pharmazeutisch verstärkt ist und diese Jagd nach künstlicher Verstärkung geht
bis tief hinein in den Amateurbereich. Die Amateure nehmen es weil es einfach
so unglaublich einfach ist und die Profis warum nehmen die es?
Nun, man stelle sich seinen eigenen Arbeitsplatz vor. Sagen
wir als Vesicherungsvertreter. Wir sollen pro Monat vielleicht 30 Abschlüsse machen
und das schaffen wir auch jeden Monat gerade so. Dann auf einmal kommen da
Kollegen von der Konkurrenz die schaffen 40 oder 50 Abschlüsse im Monat. Und
plötzlich hat man solche Leute auch in der eigenen Firma. Plötzlich ist man
nicht mehr der Held der Verischerungsvertreter sondern nur noch der Mitarbeiter
der Gefahr läuft seinen Job an jemanden zu verlieren der eben 45 Abschlüsse
schafft.
Das ist so lange eine beschissene Situation bis man
rausfindet dass diese Starvertreter jedem ihrer Kunden eine Willkommensprämie versprechen
die sie aus ihrer eigenen Provision bezahlen. Dann steht man vor der Wahl,
entweder man schmiert seine Vertratgspartner auch, oder man hört auf als
Versicherungsvertreter zu arbeiten.
Und ich denke dass es im Profisport ganz genau so zugeht.
Der Sponsor zahlt für Leistung und für Siege, nicht fürs hinterher fahren und
wer keine Siege bringt bekommt bald kein Geld mehr. Jeden Sponsor ist doch
völlig klar dass Siege im Ausdauersport heutzutage nicht mehr mit guter Laune und
Training allein möglich sind. Nein, heute braucht es eisernen Willen,
beinhartes und gnadenloses Training und das Training muss auf die richtigen
Rahmenbedingungen treffen und zu Dopen bedeutet heute, die richtigen Rahmenbedingungen
zu schaffen.
Ein Beispiel dazu. Training funktioniert so, dass man den
Körper einer bestimmten Belastung aussetzt und je öfter man das tut um so mehr
passt sich der Körper dieser Belastung an. Irgendwann kommt man aber an den
Punkt wo man gar keine größere Belastung mehr finden kann und nur noch den bis
dahin hohen Trainingsstand halten kann. Um weiter zu gehen bräuchte man einen
noch schwereren Trainingsreiz.
An der Stelle kommen zum Beispiel Betablocker ins Spiel oder
Amphetamine. Betablocker drosseln die Herzfrequenz. Verlangt man sich jetzt dieselbe
Leistung ab wie ohne Betablocker hat man genau den erhöhten Trainingsreiz den
man braucht um einen Leistungssteigernden Trainingseffekt zu bekommen.
Trainieren muss man natürlich trotzdem.
Ist der Körper extremen Leistungsanforderungen ausgesetzt,
so schüttet er irgendwann Botenstoffe aus die starke Unlustgefühle hervorrufen.
Das ist ein Schutzmechanismus damit wir uns nicht andauernd in einen
Herzinfarkt hineinrennen. Wenn diese Unlustgefühle beim Sport auftreten dann
zeigt uns an, dass wir uns im roten Bereich bewegen und an unsere
Leistungsgrenze stoßen.
Amphetamine nun, schalten diesen „Sicherungsmechanismus aus.
Wir können also noch einen Herzschlag pro Minute weiter gehen, noch einige
Sekunden länger mit Übersäuerten Muskeln Leistung erbringen. Wurde diese
Überleistung erbracht fördern Cortisonpräparate und Wachstumshormone dass sich
der Körper diesem übermenschlichen Trainingsreiz schneller anpassen kann und
von der Belastung schneller regeneriert. Konnte man früher nur einmal aller
zwei Tage auf voller Kraft trainieren, ist es mit Cortison jeden Tag möglich.
Zum Allgemeinwissen gehört heute auch, dass die roten
Blutkörperchen (Erythrozyten), den Stauerstoff in die Muskel transportieren. Je
mehr Sauerstoff für die Muskelarbeit zur Verfügung steht um so später
übersäuern die Muskeln und man kann sich ohne Krämpfe bewegen. Um die Zahl der
Erythrozyten zu erhöhen gehen Sportler zum Bespiel ins Höhentrainingslager.
Erythropoetin (Epo) regt die Bildung dieser Blutzellen an und ist letztlich eine
Stoff den unsere Nieren auch völlig natürlich produzieren.
Da man aber inzwischen das Verhältnis von künstlichem und körpereigenem
Erythropoetin gut bestimmen kann ist es natürlich viel eleganter sich einfach
Blutabnehmen zu lassen mit vielen Erythrozythen. Der Körper bildet die
abgenommenen Blutzellen rasch nach, mit Epo noch schneller, und kurz vor dem
Wettkampf führt man sich das eingelagerte Blut wieder zu und bekommt nochmal
eine extraportion roter Blutkörperchen und damit noch mal eine Schippe
Sauerstoff mehr in den Muskel. Das Resultat besteht darin dass man eben noch
schneller fahren kann ohne zu übersäuern. So in etwa funktioniert
Eigenblutdoping und es ist faktisch kaum nachzuweisen wenn man den Sportler
nicht mit der Nadel im Arm erwischt.
Jörg Jaksche, Hamilton, Zabel, Armstrong und Ullrich sagen,
wie viele andere überführte und oder geständige Dopingsünder mehr oder weniger
offen dasselbe aus: „Alle machen es“. Damit ist die Chancengleichheit letztlich
wieder hergestellt und solange im Sport Millionen zu verdienen sind werden die
Sponsoren weiter Siege von den Sportlern fordern und die Sportler werden um die
geforderte Leistung, nämlich Siege, zu erbringen weiter zu Dopingmitteln
greifen und natürlich haben sie dabei so wenig Unrechtsbewusstsein wie jemand
der sich gegen einen Mob von Gewehrträgern wehren soll und dafür selbst zum
Gewehr greift.
Leider nur werden die Sportler wenn sie erwischt werden
immer wieder als Einzeltäter hingestellt, die aus Ruhmsucht und
Trainingsfaulheit gedopt haben. Die die dieses ganze System letztlich fordern,
fördern und am Leben erhalten, waschen ihre Hände meist in Unschuld und haben
nie davon gewusst wenn ihre ganze Equipe bis unter den Scheitel mit Chemie
getuned war.
Und das ist in meinen Augen der wahre Betrug! Formalgesehen
müsste man sagen dass, Doping im Leistungssport generell freizugeben wäre. Dann
könnten auch keine windigen Medizinmänner in Hotellzimmern ihre krummen Geschäfte
machen sondern man könnte die Sportler sicher und sauber in spezialisierten
Zentren behandeln. Doch wollen wir unsere Kinder, den Sportnachwuchs von Morgen
wirklich zu hochgetunten Biomaschinen machen lassen?
Einen sauberen Radsport wird es erst wieder geben wenn die
Sponsoren sich aus dem Geschäft zurück ziehen und mit Radsport keine Werbung
mehr zu machen ist. Aber die großen Firmen und Multinationalen Konzerne wollen
ja den Glamour. Man will doch die Helden die unmenschliches vollbringen und
darum wird man den Sportlern auch weiterhin alles zur Verfügung stellen was sie
für den Sieg brauchen und wird der Sportler erwischt….dann hat niemand von
irgendwas gewusst!
Mir gefällt der Jan Ullrich gut, der sich jetzt um den Breitensport
kümmert. Der an Jedermannrennen teilnimmt und für Geld Fahrradtouren anbietet.
Keine Sponsoren, kein strahlender Sieger. Nur einfach ein paar Leute die
gemeinsam einen Berg hoch fahren und sich am Ende darüber freuen was sie
geschafft haben. Der Straßenradsport ist nämlich im Grunde ein sehr komplexer, eleganter und schöner Sport, der eigene schöne, spannende und spektakuläre Geschichten schreibt mit Kämpfen auf vielen Ebenen.
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