Ich bin Pendlerin. Bedarf es in diesen Tagen eines anderen Satzes um das Mitleid seiner Mitmenschen zu erwerben? Nein.
Seit fünf Jahren Pendle ich nun zwischen Berlin und meinem
Arbeitsplatz hin und her und habe gefühlt den eintausendsten Streik der GDL
miterlebt.
Meistens kann man sich ja auf die ganze Sache einrichten,
dachte ich und für den Fall halten mein Mann und ich auch extra ein Auto
vorrätig, denn Ärzte dürfen bekanntlich nicht zu spät kommen, nicht krank sein
und schon gar nicht selber streiken. Sofern ein Arzt in Deutschland auch nur an
Arbeitsniederlegung denkt, stehen sofort die Ethikwächter der Nation Spalier
und erklären, dass es unethisch sei, wenn die Ärzte, als Garanten der
Lebensrettung, streiken. Erfahrungsgemäß lassen sich die Ärzte dann auch fast immer
breitschlagen und halten wenigstens einen Betrieb auf Intensivstationen und in
Rettungsstellen offen. Gerade weil ich zu einer Berufsgruppe gehöre die
moralisch so in die Pflicht genommen wird, fehlt mir vielleicht das Verständnis
für die GDLer so grundlegend.
Die GDL sieht sich im Arbeitskampf gegen einen hartherzigen
ausbeuterischen Arbeitgeber und fordert weniger Arbeit und dafür auch noch mehr
Geld. Obwohl die der Bahnvorstand immer wieder Verhandlungen anbietet wird
trotzdem erst mal gestreikt und nun schon zum dritten Mal innerhalb von 14
Tagen. Eine Freundin von mir, die für die AWO arbeitet sagte, dass sie so ein
Verhalten auch bei Verdi oft genug sieht. Oftmals geht es gar nicht wirklich um
ein Prozent mehr Gehalt sondern einzig darum, dass die Gewerkschaftsführung
sich das Vertrauen ihrer Mitglieder sichert. Und als Vorkämpfer einer sich
gerne als ausgebeutet sehenden Arbeiterschaft tritt sie dann auch auf. Die
Dialoge laufen dann in etwa so:
Gewerkschaft: „Wir fordern: 10% mehr Gehalt und wenn wir es
nicht kriegen streiken wir!“
Arbeitgeber: „Was 10%!? Wie sollen wir da denn bitte
bezahlen? Okay rechnen wir mal was geht…“
Gewerkschaft: „Wir lassen uns auf nichts unter 10% ein!“
Arbeitgeber: „Lasst uns doch erst mal rechnen was geht…“
Gewerkschaft: „Okay jetzt reicht‘s! Ab morgen machen wir
einen Warnstreik!“
Die Gewerkschaft kann bei sowas eigentlich nur gewinnen. Denn
jeder Arbeitnehmer bekommt lieber Geld für’s nichts tun, als wenn er sich seine
Kröten hart zusammen malochen muss. Bei den Gewerkschaftsmitgliedern entsteht
sofort der Eindruck dass die Gewerkschaft was für sie und ihre Interessen
unternimmt und nicht selten gelingt es dem Arbeitgeber schließlich sich mit 2%
Gehaltserhöhung und einer Einmalzahlung von 100,- Euro für jedes
Gewerkschaftsmitglied aus der Sache frei zu kaufen. Diese 100,- sind natürlich
Gold auf die Mühlen der Gewerkschaft denn man kann sie als wunderbaren Erfolg
gegenüber den konkurrierenden Gewerkschaften verbuchen und auch wunderbar damit
werben.
Und genau die Konkurrenz zwischen der GDL, welche die
Lokführer vertritt und der EVG, die weitgehend für den ganzen Rest des
Bahnbordpersonals verantwortlich ist, heizt das Klima zusätzlich an.
Inzwischen, so berichtet N24, würden die Bahner der EVG als „Streikbrecher“
beschimft und angefeindet, obwohl sie gar nicht im Streik sind. Bei der GDL
erhofft man sich natürlich der „großen Schwester“ EVG in großen Stil die
Mitglieder abzuwerben indem man die Bahn zu dramatischen Zugeständnissen
zwingt.
Leidtragende der Expansionsbestrebungen der GDL sind alle
anderen. Denn nicht nur Pendler wie ich kommen verspätet oder gar nicht zur
Arbeit. Auch die ganznormalen Reisenden kommen nicht an ihren Urlaubsort und da
auch der Güterverkehr lahm gelegt ist, kommen auch Rohstoffe und Handelsgüter nicht
an ihre Bestimmungsorte.
Am ersten Streiktag, meldete die FAZ, dass 90% des gesamten
Bahnbetriebes lahmgelegt wurden. Ich glaube nicht, dass sich der volkswirtschaftliche
Schaden überhaupt bemessen lässt. Besonders einschneidend ist, dass die Bahn AG
inzwischen dazu übergegangen ist, vor angekündigten Streiks, bereits einen
abgespeckten Fahrplan einzusetzen, damit nach dem Ende des Streiks alle Züge
schon wieder auf ihren jeweiligen Startpositionen stehen und er Betrieb reibungsloser
wieder anlaufen kann.
Was erst mal gut klingt bedeutet aber für die Fahrgäste,
dass nur weil ein Streik erst ab 14 Uhr los geht, man nicht etwa um 10:00 Uhr noch
Zug fahren kann. So stand ich beim ersten Streik abends um 22:00 Uhr auf dem
Potsdamerplatz in Berlin und musste ein Taxi nach Hause nehmen. Zum Glück nahm
meinen Sohn und mich ein netter Taxifahrer auch ohne Kindersitz mit. Der zweite
Streiktag war während eines meiner 24h-Nachtdienste und hätte mich eigentlich
nicht betroffen. Durch diese Prä- und Poststreik-Fahrpläne sah ich trotzdem
keinen Zug. Einzig der Streik an diesem Wochenende betraf mich wirklich nicht.
Setze ich jetzt in Relation wie oft es bei der Bahn
ansonsten zu Verspätungen kommt, erscheint der ganze Streikwahnsinn,
insbesondere in diesem Ausmaß und in dieser schnellen Frequenz noch
unverschämter. Bei etwa zwei von fünf Zügen habe ich eine Verspätung von fünf
bis zwanzig Minuten. Böschungsbrände, technische Störung am Zug, Personen oder
Tiere am Gleis, Warten auf einen anderen Zug, Signalstörungen, Notarzt- und
oder Polizeieinsätze, Bauarbeiten, verzögerte Bereitstellungen des
Eingangszuges oder einfache Verzögerungen im Betriebsablauf, werden als
Begründungen angegeben.
Die Bahner vermitteln einem damit das die Grundeinstellung:
Ist doch egal wann dein Zug kommt, sei doch einfach froh dass Du überhaupt
mitgenommen wirst. Käme die Bahn im Regelfall auf die Minute pünktlich und
würde verantwortungsvoll und gewissenhaft den Vertrag erfüllen den sie mit mir
als Jahreskarteninhaberin geschlossen hat, dann hätte ich Verständnis wenn mein
von Brot und Wassersuppe lebender, abgemagerter und notleidender Lockführer für
eine handvoll Euro in den Ausstand geht, nachdem er jahrelang pünktlich wie
eine Schweizer Uhr seine Züge gefahren ist.
Ist er aber nicht und deswegen habe ich für diesen Amoklauf
der GDL auch kein Verständnis. Im Gegenteil. Ich plane eher eine
Fahrgastgewerkschaft zu gründen die solange keine Fahrkarten mehr kauft bis
diese GDL gefeuert wurden oder in die EVG überführt wurden.
2 Kommentare:
Es sind Lokführer, wie sollen sie denn sonst streiken - Papierflieger falten?
Wenigstens mal eine Gewerkschaft, die sich gegen die Senkung des Reallohns überhaupt erfolgreich zur Wehr setzt!
Wenn sie 5% ehr Gehalt fordern und die Bahn ihnen sogar schon 5% mehr Gehalt zugesteht...und sie trotzdem weiter streiken, dann gehts wohl nicht um die notleidenden Lokführer.
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