Samstag, 18. Oktober 2014

Kein Verständnis.


Ich bin Pendlerin. Bedarf es in diesen Tagen eines anderen Satzes um das Mitleid seiner Mitmenschen zu erwerben? Nein.
Seit fünf Jahren Pendle ich nun zwischen Berlin und meinem Arbeitsplatz hin und her und habe gefühlt den eintausendsten Streik der GDL miterlebt.
Meistens kann man sich ja auf die ganze Sache einrichten, dachte ich und für den Fall halten mein Mann und ich auch extra ein Auto vorrätig, denn Ärzte dürfen bekanntlich nicht zu spät kommen, nicht krank sein und schon gar nicht selber streiken. Sofern ein Arzt in Deutschland auch nur an Arbeitsniederlegung denkt, stehen sofort die Ethikwächter der Nation Spalier und erklären, dass es unethisch sei, wenn die Ärzte, als Garanten der Lebensrettung, streiken. Erfahrungsgemäß lassen sich die Ärzte dann auch fast immer breitschlagen und halten wenigstens einen Betrieb auf Intensivstationen und in Rettungsstellen offen. Gerade weil ich zu einer Berufsgruppe gehöre die moralisch so in die Pflicht genommen wird, fehlt mir vielleicht das Verständnis für die GDLer so grundlegend.

Die GDL sieht sich im Arbeitskampf gegen einen hartherzigen ausbeuterischen Arbeitgeber und fordert weniger Arbeit und dafür auch noch mehr Geld. Obwohl die der Bahnvorstand immer wieder Verhandlungen anbietet wird trotzdem erst mal gestreikt und nun schon zum dritten Mal innerhalb von 14 Tagen. Eine Freundin von mir, die für die AWO arbeitet sagte, dass sie so ein Verhalten auch bei Verdi oft genug sieht. Oftmals geht es gar nicht wirklich um ein Prozent mehr Gehalt sondern einzig darum, dass die Gewerkschaftsführung sich das Vertrauen ihrer Mitglieder sichert. Und als Vorkämpfer einer sich gerne als ausgebeutet sehenden Arbeiterschaft tritt sie dann auch auf. Die Dialoge laufen dann in etwa so:

Gewerkschaft: „Wir fordern: 10% mehr Gehalt und wenn wir es nicht kriegen streiken wir!“
Arbeitgeber: „Was 10%!? Wie sollen wir da denn bitte bezahlen? Okay rechnen wir mal was geht…“
Gewerkschaft: „Wir lassen uns auf nichts unter 10% ein!“
Arbeitgeber: „Lasst uns doch erst mal rechnen was geht…“
Gewerkschaft: „Okay jetzt reicht‘s! Ab morgen machen wir einen Warnstreik!“

Die Gewerkschaft kann bei sowas eigentlich nur gewinnen. Denn jeder Arbeitnehmer bekommt lieber Geld für’s nichts tun, als wenn er sich seine Kröten hart zusammen malochen muss. Bei den Gewerkschaftsmitgliedern entsteht sofort der Eindruck dass die Gewerkschaft was für sie und ihre Interessen unternimmt und nicht selten gelingt es dem Arbeitgeber schließlich sich mit 2% Gehaltserhöhung und einer Einmalzahlung von 100,- Euro für jedes Gewerkschaftsmitglied aus der Sache frei zu kaufen. Diese 100,- sind natürlich Gold auf die Mühlen der Gewerkschaft denn man kann sie als wunderbaren Erfolg gegenüber den konkurrierenden Gewerkschaften verbuchen und auch wunderbar damit werben.

Und genau die Konkurrenz zwischen der GDL, welche die Lokführer vertritt und der EVG, die weitgehend für den ganzen Rest des Bahnbordpersonals verantwortlich ist, heizt das Klima zusätzlich an. Inzwischen, so berichtet N24, würden die Bahner der EVG als „Streikbrecher“ beschimft und angefeindet, obwohl sie gar nicht im Streik sind. Bei der GDL erhofft man sich natürlich der „großen Schwester“ EVG in großen Stil die Mitglieder abzuwerben indem man die Bahn zu dramatischen Zugeständnissen zwingt.
Leidtragende der Expansionsbestrebungen der GDL sind alle anderen. Denn nicht nur Pendler wie ich kommen verspätet oder gar nicht zur Arbeit. Auch die ganznormalen Reisenden kommen nicht an ihren Urlaubsort und da auch der Güterverkehr lahm gelegt ist, kommen auch Rohstoffe und Handelsgüter nicht an ihre Bestimmungsorte.

Am ersten Streiktag, meldete die FAZ, dass 90% des gesamten Bahnbetriebes lahmgelegt wurden. Ich glaube nicht, dass sich der volkswirtschaftliche Schaden überhaupt bemessen lässt. Besonders einschneidend ist, dass die Bahn AG inzwischen dazu übergegangen ist, vor angekündigten Streiks, bereits einen abgespeckten Fahrplan einzusetzen, damit nach dem Ende des Streiks alle Züge schon wieder auf ihren jeweiligen Startpositionen stehen und er Betrieb reibungsloser wieder anlaufen kann.

Was erst mal gut klingt bedeutet aber für die Fahrgäste, dass nur weil ein Streik erst ab 14 Uhr los geht, man nicht etwa um 10:00 Uhr noch Zug fahren kann. So stand ich beim ersten Streik abends um 22:00 Uhr auf dem Potsdamerplatz in Berlin und musste ein Taxi nach Hause nehmen. Zum Glück nahm meinen Sohn und mich ein netter Taxifahrer auch ohne Kindersitz mit. Der zweite Streiktag war während eines meiner 24h-Nachtdienste und hätte mich eigentlich nicht betroffen. Durch diese Prä- und Poststreik-Fahrpläne sah ich trotzdem keinen Zug. Einzig der Streik an diesem Wochenende betraf mich wirklich nicht.

Setze ich jetzt in Relation wie oft es bei der Bahn ansonsten zu Verspätungen kommt, erscheint der ganze Streikwahnsinn, insbesondere in diesem Ausmaß und in dieser schnellen Frequenz noch unverschämter. Bei etwa zwei von fünf Zügen habe ich eine Verspätung von fünf bis zwanzig Minuten. Böschungsbrände, technische Störung am Zug, Personen oder Tiere am Gleis, Warten auf einen anderen Zug, Signalstörungen, Notarzt- und oder Polizeieinsätze, Bauarbeiten, verzögerte Bereitstellungen des Eingangszuges oder einfache Verzögerungen im Betriebsablauf, werden als Begründungen angegeben.

Die Bahner vermitteln einem damit das die Grundeinstellung: Ist doch egal wann dein Zug kommt, sei doch einfach froh dass Du überhaupt mitgenommen wirst. Käme die Bahn im Regelfall auf die Minute pünktlich und würde verantwortungsvoll und gewissenhaft den Vertrag erfüllen den sie mit mir als Jahreskarteninhaberin geschlossen hat, dann hätte ich Verständnis wenn mein von Brot und Wassersuppe lebender, abgemagerter und notleidender Lockführer für eine handvoll Euro in den Ausstand geht, nachdem er jahrelang pünktlich wie eine Schweizer Uhr seine Züge gefahren ist.

Ist er aber nicht und deswegen habe ich für diesen Amoklauf der GDL auch kein Verständnis. Im Gegenteil. Ich plane eher eine Fahrgastgewerkschaft zu gründen die solange keine Fahrkarten mehr kauft bis diese GDL gefeuert wurden oder in die EVG überführt wurden.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Es sind Lokführer, wie sollen sie denn sonst streiken - Papierflieger falten?

Wenigstens mal eine Gewerkschaft, die sich gegen die Senkung des Reallohns überhaupt erfolgreich zur Wehr setzt!

Cori Panthar hat gesagt…

Wenn sie 5% ehr Gehalt fordern und die Bahn ihnen sogar schon 5% mehr Gehalt zugesteht...und sie trotzdem weiter streiken, dann gehts wohl nicht um die notleidenden Lokführer.