So ein Lagerwechsel kam leider häufiger vor als es den
Bewohnerinnen dieses Waldgebietes lieb sein konnte. Immer häufiger wurde ihr
Lagerplatz, eher zufällig von verirrten Reisenden entdeckt. Ein Grund für Loo, die
Zweite des Stammes, einer attraktiven, erstaulich jungen Frau, ihre
Kameradinnen die sie selbst „ihre Schwestern“ nannte zu Wachen einzuteilen um
das Umfeld des Lagers zu beobachten und jedem Eindringling sofort nach zu
setzen. Niemand durfte den Standort des Lagers aus diesem Wald heraus tragen.
Ihre Verborgenheit und ihre Verschwiegenheit waren die stärksten Waffen der
Frauen. Fast jede von ihnen wurde in einer oder mehreren Städten mit einem Haftbefehl
gesucht. In den Städten nannte man sie Gesetzlose, legte ihnen Verbrechen zur
Last die sie wissentlich, unwissentlich oder auch gar nicht begangen hatten und
drohte ihnen mit Züchtigung, Sklaverei und gelegentlich auch mit dem Tode. Doch
hier im Wald waren sie frei. Hier machten die sie die Gesetze. Doch alles funktionierte nur zu einem gewissen Grad. Wenn sie den Reisenden zu viele Schererein bereiteten würden die Städte und Handelshäuser Krieger udn gedungene Söldner schicken um diese Reisdenen zu schützen. Daher war es besser den Städtern so weit es ging aus dem Wege zu gehen.
Doch der Luxus dieser Freiheit wollte gut bewacht werden. An
diesem Tag waren Lara und Cori zur Wache eingeteilt. Die beiden Frauen standen
oder saßen abwechselnd auf dem Palisadenzaun oder dem Dach einer der
Strohhütten und beobachteten das vorgelagerte Gebiet. Wie immer wenn sich
Routine in den Alltag einschlich wurden selbst die diszipliniertesten
Jägerinnen nachlässig und so sprachen sie von Zeit zu Zeit über dieses und
jenes, tranken von ihren Wasserschläuchen und versuchten sich nicht vom
gleichmäßigen Rauschen der Blätter, dem plätschern des nahegelegenen Baches
oder der der Wärme der Nachmittagssonne ermüden zu lassen.
Schließlich ließ sich
Cori, die Anführerin der Bande, die sich selbst gern als Stamm bezeichnete, auf
einen der wackeligen Stühle sinken die vor Jahren von einem fahrenden Schreiner
erbeutet worden, und um ein leeres Kalana-Fass gruppiert worden waren.
Sie holte einer schematische Landkarte hervor die mit
Naturfarben auf eine alte rissige Tabukhaut gemalt war. Da dem Zeichner
offenbar kein Blau zur Verfügung gestanden hatte waren die Flüsse in einem
Rotbraun gehalten, Bärge und in einem schmutzigen Gelb und Wälder in einem
seichten Grün. Straßen und Städte waren mit schwarzer Kohle verzeichnet.
Die Anführerin der Pyrana, die außerhalb des Lagers oft nur
als „die Krähe“ bekannt war, beugte ihren Kopf mit den knabenhaft
kurzgeschnittenen Haaren darüber und betrachtete die Karte stirnrunzelnd.
Lara hatte sich gelegentlich gefragt warum die En die
eigentlich nicht hässlich war, so wenig aus sich machte. Doch dann war ihr
aufgefallen dass die meisten Frauen im Lager, jede für sich, auf eine besondere
Weise mit ihrer äußeren Weiblichkeit umgingen. Während einige besonders viel
wert drauf legten selbst nach dem längsten Regenguss noch schnell ihre Lippen
oder Wangen mit etwas Henna zu röten, so zeigten andere fast in einer art
privater Rebellion ihren nackten Oberkörper um es so der Männerwelt, von
welcher sie alle in gewisser Weise verstoßen waren, gleich zu tun.
Cori aber achtete genau darauf ihr Haar ständig kurz zu
tragen, wie die Rekruten in der Kriegerschule und ihre Arme und Beine bedeckte
sie stets mit langen Fellstulpen. Wohl gleich sie über kein besonders gewaltiges
Dekollete verfügte band sie stets ein Tuch so um ihre Brust, das ihre Rundungen
möglichst flach an den Körper gedrückt wurden. Manchmal, wenn man die
Anführerin der Pyrana im Gegenlicht oder im Dickicht des Waldes sah, konnte man
meinen nicht einer ausgewachsenen Frau, sondern einem Jüngling gegenüber zu
stehen.
Lara wusste nicht, was für ein Verhältnis Cori zu ihrem
Körper hatte, aber ganz sicher war, dass die En erst begonnen hatte ihre
Weiblichkeit zu verstecken, nachdem sie einmal einem Nordmann in die Hände gefallen
war.
Cori bemerkte Laras Blick und Lara schaute schnell auf die Karte: „Also ich kann kann da nichts
erkennen. Was willst Du denn auf dieser Karte sehen?“ Lara tat so als habe sie
sich nur für die Karte interessiert. „Nun ich überlege wo man nach etwas
bestimmtem suchen könnte“, gab die En zurück.
„Was denn?“ fragte Lara.
„Nach so etwas“, antwortete Cori, kramte in ihrem Beutel und
holte ein zusammen gefaltetes Tuch hervor dessen Ecken ordentlich übereinander
geschlagen waren. Vorsichtig schlug sie die Ecken zurück. In dem Tuch
eingeschlagen lag ein flaches Stück Stein. Wenn man genauer hinsah, konnte man
erkennen, dass in dem Stein eine fossile Pflanze zu erkennen war. Man konnte deutlich
einen Teil der Blüte und ein Blatt ausmachen. „Hast Du so was schon mal
gesehen? Schon klar, das ist ne versteinerte Blume. Aber mal ehrlich. Schau Dir
die Zeichnung von den Blattstreben an. Ich habe so etwas nie zuvor gesehen, es
sieht aus als wäre das Blatt aus lauter sechseckigen Waben zusammengesetzt.“
Lara schüttelte den Kopf: „Nein. Was ist das für eine
Pflanze?“
„Und hat sie irgendeine Bedeutung für uns?“ fragte Loo die
leise und mit der jungen Moira auf die Palisade gekommen war um die Wache zu
übernehmen.
Die Pyrana begutachten die Blume im Stein |
Gelegentlich hielt sich das Gerücht, dass die
Arquana-Jägerin Esem besiegt habe. Doch die Mehrheit der Arquana behauptete,
dass Esems Stolz sich mit der Niederlage nicht habe abfinden können und sie
sich darum umgebracht habe. Von den Pyrana gab es keine Zeugen und so rankten
sich um das Leben und vor allem den Tod von Esem viele Gerüchte die noch
dadurch angefacht wurden, dass der Leichnam von Esem nie gefunden wurde. Es
hieß, dass eine befreundete Schmanin ihn gefunden und aufgebahrt habe und dass
er plötzlich verschwunden gewesen sei. Manchmal fragte sich Cori ob Loo im
tifesten Inneren ihres Herzens manchmal hoffte, dass Esem vielleicht nicht tot
war und eines Tages wieder vor dem Lager stehen würde. Fest stand aber, dass
sowohl die Pyrana, als auch die Arquana viel unter den Folgen dieses Duells zu
leiden gehabt hatten. Erst jetzt von eine Jägerin namens Aya die Führung der
entfernt lebenden Arquana übernommen hatte, schienen sich die beiden Gruppen
langsam wieder anzunähern.
"Und willst Du diese Pflanze suchen und finden?", riss Lara Cori aus ihren Gedanken.
"Na, zumindest würde ich gerne herausfinden woher diese Pflanze kommt und welche Eigenschaften sie hat. Die Priesterkönige haben doch nichts einfach so in die Welt gebracht." antwortete Cori.
"Stimmt, Jedes hat sein Sinn", gab Lara zu.
"Aber heute ist es schon zu spät um mit der Suche zu beginnen, schaltete Loo sich in das Gespräch ein. Loo war auf ihre Art vielleicht die schönste Frau in der Gruppe, wobei sie eine sehr exotsiche Schönheit besaß mit einer Haut, die das sanfte Braun von schwarzem Wein hatte, den man halb und halb mit Verr-Milch mischte und ihr Haupt wurde von Blonden wuscheligen Haaren umspielt die aussahen wir die Gischt auf den Wellen der Thassa an einem besonders stürmischen Tag.
"Ja das ist es, und wir werden sie sicher auch hier nicht finden.", stimmte Cori Loo zu, "Ich habe diese Steinblume von einem Händler gekauft. Der sagte dass er diesen Stein im Norden gefunden habe."
"Hm, und wenn wir ne Heilerin fragen?", schlug Moira vor, "ich kenne eine."
Cori verzog den Mund: "Ich denke, dass wir bei einer Schamanin mehr Glück haben werden. Schamninnen kennen sich mehr mit den Heilkräften der Natur aus. Heilerinnen wissen besser Bescheid wenn es um das geheime, zweite und dritte Wissen geht."
Loo nahm den Faden auf: "Ich weis nur das die Arquna eine Schamanin haben und die Ki'Kara."
Cori nickte: "Und wer hat zur Zeit die weisteste Heilerin?"
"Was ist mit Creide, die ist doch auch Schamanin?" gab Moira zu bedenken.
Creide. Das war so eine Sache bei den Pyrana. Die Frau die
unter dem Namen Creide in dieser Region des südlichen Urwaldes bekannt war die
Schamanin der Ja-hesa Seraka, doch sie war von den Tri’Shena zu den Seraka
gekommen. Die Tri’Shena hatten sich allerdings selbst erst im Unfrieden von den
Ja-Hesa Seraka abgespalten und während die Seraka ein Waldgebiet südwestlich
des Pyrana-Reviers bejagten, hatten die Tri’Shena sich östlich davon niedergelassen
was zu reichlichen Konflikten zwischen den Tri’Shena und den Pyrana geführt
hatte bis hin zu mehreren Kämpfen in denen man nicht gerade zimperlich
miteinander umgegangen war. Wer konnte schon so genau sagen wie weit diese
Feindschaft noch in den Köpfen und Herzen der Jägerinnen beider Gruppen kochte?
Die Krähe überlegte und strich sich mit der Hand durch das
kurze schwarze Haar. Die spirituelle Anführerin der Pyrana, Nara, war seit
mehreren Hand zu einer sogenannten Suche aufgebrochen. Schamaninnen unternahmen
solche Reisen gelegentlich um sich seelisch zu reinigen, neue Erkenntnisse zu
gewinnen oder, wie Cori vermutete, einfach nur wenn sie die kleinen Sorgen und
Probleme der anderen Gruppenmitglieder Leid waren. Obwohl sie alle laut Gesetz
gesuchte Verbrecherinnen waren, war es doch erstaunlich wie viele doch das
Gespräch mit der Schamanin suchten um sich den einen oder anderen Ballast von
der Seele zu reden, oder auch nur um einmal über die eigenen Ängste zu sprechen
oder auch über die eigenen geheimen Sehnsüchte und Wünsche.
Die Jägerinnen hatten sich einen rauen und herablassenden
Umgangston angewöhnt. Wie in manchen Kriegergruppen, galt es als ein Zeichen
von Schwäche sich über die harten Lebensbedingungen im Lager zu beklagen. Nur
wer es verstand unter den widrigsten und schwierigsten Bedingungen zu überleben
war es wert in den Kreis der Pyrana aufgenommen zu werden. Es gab keine
Beschwerden darüber dass die meisten Strohhütten bereits nach zehn Ehn
durchgeregnet waren, dass das Regenwasser nach einem Starkregen den gesamten Lagerplatz
in eine einzige Matschwüste verwandelte, in der man vielfach barfuß umher
stapfte, auch wenn es nachts kalt wurde und in der man sitzen und zerkochtes
Tabukfleisch essen musste, aus dem man kurz zuvor noch die Maden heraus gepolkt
hatte. Und man musste auch in diesem Schlamm schlafen.
Dazu schüttete man sich am Abend einen kleinen Hügel auf, den
man mit Gras oder Blättern belegte und darauf dann seinen Fell- oder Strohsack ausbreitete.
Doch in der Nacht gab das diese Lagerkonstruktion in aller Regel nach und man
erwachte wenn die Feuchtigkeit durch den Schlafsack ins innere drang. Niemand
beschwerte sich darüber und es sprach auch niemand über die Angst von einem
Sleen oder einer Ost gebissen zu werden oder auf einer Lichtung von einem wilden Tarn erspäht und zerrissen zu werden. All diese Gefahren und Unannehmlichkeiten
waren real den Lagern der Jägerinnen. So wie der Durst im Sommer und der Hunger
im Winter. Man sprach darüber nicht. Man fand sich damit ab. Nur manchmal, da
redete man eben mit der Schamanin darüber und träumte für einen Moment davon
wieder in einer Stadt zu wohnen, geachtet und angesehen zu sein, in einem
richtigen Bett zu schlafen und manche der Frauen träumten sogar davon einen
Gefährten zu haben. Aber darüber sprach man nur mit der Schamanin. Doch die
Schamanin der Pyrana war schon seit langer Zeit nicht mehr im Lager gesehen
worden.
„Also dann machen wir es so“, entschied Cori, „erst gehen
wir gemeinsam zu unseren Nachbarn, den Seraka. Dort hören wir ob Creide uns
helfen kann. Aber wir sollten ihr nicht bedingungslos vertrauen. Daher werden
wir hinterher Jägerinnen zu allen Stämmen im Umfeld schicken und ihre
Schamaninnen zu uns einladen damit sie die Blume in dem Stein ansehen und ihre
Meinung dazu sagen können. Außerdem werden wir eine Schwester in die Stadt
schicken.“
Ihr Blick suchte Nara: „Die Oase der vier Palmen ist einige
Tage von hier entfernt, doch es soll dort eine gewaltige Sammlung von Schriften
und Bildern geben. Vielleicht kennt man diese Pflanze ja. Das ist doch eine
gute Aufgabe für Dich, Lara“
„Was wollen wir denn eigentlich mit dieser Pflanze?“ fragte
Lara
„Das weiß ich nicht,“ gab Cori zurück. „Aber nehmen wir mal
an, die Pflanze ist im Süden nicht beheimatet, dann kann man sie hier teuer verkaufen.
Wenn sie außerdem noch eine giftige Wirkung hat, oder Heilkräfte besitzt, dann
wäre es doch lohnend wenn wir die einzigen im südlichen Dschungel sind die über
diese Pflanze verfügen.“
Die Richtigkeit dieses Argumentes konnte man kaum leugnen. Doch
ob der Aufwand einer Suche und vielleicht einer Expedition durch den Lohn
gerecht fertigt werden würde, war mehr als fraglich. Allerdings war Cori
bekannt dafür solchen Hirngespinsten nach zu jagen und berühmt dafür, weil sie schon
mehr als einmal erfolgreich mit solchen Kreuzzügen gewesen war.
Eine neue große Reise stand den Pyrana also bevor. Die erste
Station würde das Lager der Seraka sein nur wenige Passang von dem der Pyrana
entfernt, doch wohin es dann gehen würde, das stand in den Sternen und niemand
in der Runde bezweifelte dass Cori keine Ruhe geben würde bevor man diese
Pflanze, ob wertvoll oder nicht in den Händen halten würde.
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