Freitag, 6. April 2012

OOC – Was alle kennen aber niemand macht

Mir eilt der Ruf voraus (und nach) eine OOC-Meckertante zu sein. (Für die nicht Rollenspieler: OOC bedeutet Out of Character und bezeichnet ale Gespräche die außerhalb des Rollenspiels geführt werden). Vielleicht hat man damit auch Recht, doch ich bin der festen Überzeugung, ganz ohne OOC geht es nicht. Allen die jetzt die Augen verdrehen oder im Stillen jubeln „Wir haben es schon immer gewusst, das Cori doof ist.“ möchte ich einige Überlegungen mit auf den Weg geben.
Ich spiele nun schon sehr lange Rollenspiele. Es macht mir große Freude mich ich fremde Welten einzudenken und in sie hinein zu träumen. Ja, es ist wirklich ein in die Welt hinein wünschen. Es fing mit Abenteuer-Spielebüchern an, die mir meine Eltern verboten haben und setzte sich über Das Schwarze Auge, Mittelerde Rollenspiel (MERS), Earth Dawn, Call of Cthulhu, Kult und Degenesis fort und führte mich schließlich in die online Rollenspiel-Szene und schließlich nach SL-Gor.
Fantasyrollenspiele unterscheiden sich grundlegend von anderen Gesellschaftsspielen. Das Ziel von Brettspielen ist es, meist durch das Spiel, irgendwie einen Sieger zu bestimmen. Wer gewinnt wird durch Zufallsmomente wie Würfel oder Karten und bei manchen Spielen auch über geschickte Strategie oder, wie beim Mikado, durch Geschicklichkeit entschieden. Rollenspiele aber haben nicht den Anspruch einen Sieger zu bestimmen. Rollenspiele werden auch Erzählspiele genannt weil es darum geht eine Geschichte zu erzählen, die nach Möglichkeit natürlich gut sein soll. Als gut wird dabei häufig empfunden wenn es besonders spannend oder romantisch oder auch traurig ist. So wie bei einem guten Film. Wer hat nicht mit gezittert mit Clarice Starling aus dem Schweigen der Lämmer oder mit Ellen Ripley die sich dem Alien stellen musste. Liebten wir nicht mit Dr. Maggie Rice aus der Stadt der Engel und waren wir nicht ergriffen als Frankie Dunn seinem Mo Cuishle in Million Dollar Baby Sterbehilfe gab, oder als Braveheart William Wallace noch auf dem Schafott die Freiheit forderte? Um solche Geschichten zu erzählen muss man viel von sich und seiner Seele investieren.
Wenn es gelingt, so haben zunächst einmal alle Beteiligten einen schönen Abend gehabt. Doch hintergründig ist etwas viel tieferes passiert. Wenn es gelingt, so haben wir etwas Einzigartiges geschaffen. Zwei wildfremde Menschen haben dann, einfach so, einander an der Seele berührt. Sie haben einander ein Geschenk gemacht. Diese Momente sind es die einen wirklich spielenden Geist zum Rollenspiel treiben. Es ist die Sehnsucht nach einem Traum. Dem Traum jemand anderes zu sein und in einer fantastischen Welt, mit den Heldinnen und Helden der eigenen Kindertage Seite an Seite Abenteuer zu bestehen.
So etwas funktioniert aber nur mit Menschen zu denen man Vertrauen hat. Denn gerade weil man soviel von sich selbst, verwundbar und schutzlos preisgeben muss, ist es nötig Vertrauen zu haben, dass der dem man sich sozusagen anvertraut, mit diesem Wissen kein Schindluder treibt. Sobald diese Frage „Was wird der andere von mir halten?“ auftaucht, spielt das OOC schon mit.

Stellen wir uns eine Sportveranstaltung wie die Tour de France vor. Jeder weiß inzwischen, dass nahezu alle Radsportler ab einem gewissen Erfolgsgrad sich pharmazeutische oder medizinische Verstärkungen leisten. Im Volksmund nennt man das Doping, das Resultat ist ein Betrug, das englische Wort dafür ist Cheating.
Manchmal kommt es vor, dass man mit großer Vorfreude zu einem Wettkampf fährt. Man freut sich darauf vielleicht einen großen Zweikampf zu liefern und vielleicht mal wieder so einen Moment zu schaffen, indem sich zwei Seelen berühren. Einen Wettkampf eben, wo selbst der Verlierer ein Sieger ist, weil er es geschafft hat, eben diesen einzigartigen Moment mit zu gestalten. Einen Wettkampf indem der Sieger keinen Sieg annimmt, der nur dadurch errungen wurde weil der Konkurrent auf der entscheidenden Etappe gestürzt ist. Man ist bereit das aller Beste zu geben und vertraut darauf, dass der Gegner dieses Geschenk zu würdigen weiß. Doch an Stelle eines großen Wettkampfes erlebt man ein lächerliches Debakel weil der Gegner nicht nur Nägel auf die Straße gelegt hat, sondern auch noch schneller gefahren ist als man selbst seinen platten Reifen aufgepumpt hat. Solche Dinge fallen unter die Rubrik „Tricksen“. Tricksereien sind all diese kleinen Dinge die eben nicht verboten sind, die einem aber doch einen Vorteil verschaffen.
Sie sagen dem anderen eigentlich eines: "Ich nehme Dich nicht ernst und ich halte Dich für blöd genug, dass Du meine Tricks nicht bemerkst oder für schwach genug, dass du trotzdem mit spielst."
Sobald diese Aussage wahrgenommen wird, ist die Vertrauensbasis die für das RP nötig wäre eigentlich dahin. Manchmal kommt es aber zu Fehlwahrnehmungen und man nimmt etwas als Trickserei wahr, was gar nicht so gemeint war und an der Stelle kommt in jedem Rollenspiel die eine OOC Anfrage. Egal wie die Wortwahl ist, die Aussage dieser Anfrage ist immer die gleiche: "Sag mal beschummelst Du mich gerade oder kann ich noch Vertrauen zu dir haben?"
An dieser Stelle ist es wirklich nicht entscheidend, ob tatsächlich versucht wurde den Betreffenden auszutricksen, sondern nur wie es von ihm oder ihr erlebt wird. Wir alle glauben was wir wahrnehmen. Haben wir das Gefühl dass jemand es ehrlich mit uns meint vertrauen wir Ihm oder Ihr bereitwillig. Wenn jemand kommt und sagt: Der betrügt dich aber werden wir für unseren Freund Partei ergreifen.
Wenn ich selbst eine gute Kämpferin bin und mit vier direkten Treffen vorne liege und trotzdem mit 40% Unterschied gelegt werde, obwohl das Gelände flach ist und alles über nahe Distanz geht, dann liegt der Verdacht nicht so sehr fern, dass da irgendwas nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Natürlich gibt es auch viele Erklärungen die einen regelkonformen Verlauf stützen würden, aber sicher sein kann man sich nie.

Nun gibt es einige Wenige unter uns, die mit einer nahezu stoisch Anerkennung neutestamentarischer Christlichkeit sagen: Ich halte nicht nur die andere Wange hin, ich belohne es sogar noch mit Gelassenheit und Freundlichkeit wenn man mich beschummelt.
Andere hingegen, und dazu gehöre auch ich, stört es wenn man sie für dumm verkaufen will und hinterher nicht mal „Danke“ sagt.
Allein der Funke des Zweifels „Der Andere spielt doch nicht fair“ genügt bei unsereinem um eine ganze Cascade von Überlegungen anzustoßen. Wenn alles ehrlich gelaufen ist, dann hat der andere nichts zu befürchten, aber da liege ich auch nicht am Boden während der andere nicht mal Gelb ist. Entweder hat der einfach deutlich bessere Hardware oder er bescheißt mich. Wenn er deutlich bessere Hardware hatte, ist das nicht auch irgendwie eine Art von Betrug? So wie Doping? Denn es gibt ja keine Einteilung der Rechnerstärke so wie es beim Motorsport nach Hubraumgröße Einteilungen oder im Boxen-Gewichtsklassen gibt. Und selbst wenn es so was gäbe, wie sollte ich das wissen? Sollte jeder die technischen Daten seines Rechners in sein Profil schreiben? Ist natürlich Unfug, aber letztlich bleibt es dabei: Der eine kann sich eben nur Müsli und Jogging im Wald leisten, der Andere bekommt  Amphetamine, Eigenblutdoping, Cortikoseroide und persönlichen Trainerstab finanziell geregelt einschließlich Privatarzt der ihm das Zeug verabreicht. Muss ich jetzt immer den kürzeren Zeihen nur weil da irgendwer das Glück hat an einem dicken Rechner mit Breitbandinternet zu sitzen? Wahrscheinlich fällt das wohl in die Rubrik „Materialvorteil“, aber es erklärt irgendwie noch nicht so ganz warum der so gut ist. Gefühlsmäßiges Fazit: Irgendwie bescheißt der mich doch, ich weiß nur noch nicht genau wie.
Und wenn ich nun festgestellt habe, dass ich wahrscheinlich gerade gelinkt wurde, was mache ich dann? Belohen ich diesem linken Vogel seine krummen Touren auch noch indem ich ihm zu drei oder vier Stunden nettem RP verhelfe? Das will er doch. Erst veräppelt man mich und dafür bedanke ich mich auch noch mit spannendem RP? Wenn ich beim Radfahren wüsste dass mein Kontrahent gedopt war und ich habe darum bei der Weltmeisterschaft nur den zweiten Platz gemacht, glaubt ihr irgendjemand würde sagen „Egal, Hauptsache wir sind alle gesund im Ziel angekommen“?
Sobald der Verdacht entsteht, dass man betrogen wurde, spielt das OOC auf jeden Fall mit. Jeder der jetzt auf die gern zitierte Trennung von IC und OOC anspielen will und behauptet, dass er das Trennen könnte, ist sich entweder selbst nichts wert oder er lügt sich selbst in die Tasche.
Schon allein wenn ich die Limits meines Gegenübers nur lese hole ich mir eine OOC Information und technisch gesehen verwende ich diese OOC Information sogar im Spiel wenn ich mich an diese Limits halte. Nur dass ich eben diese OOC-Info nicht laut ausspreche.
Wahrscheinlich ist auch hier mal wieder das Zauberwort "Maßhaltung" angebracht. Wenn ich mit jemandem spiele den ich OOC attraktiv finde, ob seines Humors vielleicht, so erhoffe ich mir natürlich, dass ich mit ihm ins Spiel komme und wir miteinander Zeit verbringen und uns am Spiel des anderen erfreuen können. Auch hier schwingt bereits ein OOC-Interesse mit, nur wird hier niemand etwas dagegen haben. Dieses OOC-Intresse tut niemandem weh. Umgekehrt geht es natürlich auch. Wenn ich mich mit jemandem gestritten habe und er kommt auf meine Sim und stellt sich demonstrativ vor mein Camp weil er weiß, die Cori kann mir eh nichts, was dann? Es ist seinerseits eine OOC-Provokation, aber wie soll ich das beweisen? Solange er keinen Bann hat darf er nahezu stehen wo er will. Ich aber hätte wahrscheinlich Schwierigkeiten zu beweisen, dass ich keine OOC-Intention hatte wenn ich daraufhin auf ihn schieße. Kommt es in so einer Situation zum Einsatz eines Admins entscheidet im Regelfall nur die Beliebtheit der beiden Streithähne oder –hennen und wer von den beiden auf der Sim wohnt und wer nicht. In den meisten Fällen wird es ausgehen wie das Hornbacher schießen und alle finden den Admin doof weil der ihnen nicht auf ganzer Linie Recht gegeben hat. Der Grund warum diese Situationen so unzufriedenstellend geklärt werden ist einfach der, dass es eben keine übergeordnete Instanz gibt die dann eine Entscheidung trifft und die von beiden Seiten auch anerkannt wird.

Wo immer Menschen sich emotional beteiligen, mit gehen, mit fühlen und mit machen wird immer eine OOC-Komponente mitschwingen. Daher denke ich, wird es niemals ohne OOC gehen. Leider ist OOC das was nach Aussagen der meisten Goreaner am meisten stört. Ironischerweise ist OOC aber das einzige was uns aus dem OOC heraus holen kann. Wenn man konstruktiv Dinge bespricht, ohne den Hintergedanken, dass der andere einen nur schlecht machen will, dann kann man die Stolpersteine die das RP immer wieder verderben entfernen.
Ich glaube fest daran, dass man jedes Problem besprechen und lösen kann, wenn beide Seiten ernsthaft nach einer Lösung suchen.

Und was glaubt Ihr?

Eure
Cori

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