Mittwoch, 25. Juli 2012

Keine Zwangsbehandlung

Häufig bekomme ich es in meinem Beruf mit psychisch Kranken zu tun, denen man durch den Einsatz bestimmter Medikamente, zumeist aus der Gruppe der Neuroleptika, sehr gut helfen könnte ein normales Leben zu führen, die aber durch ihrer Erkrankung, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in der Lage sind ihre eigenen Behandlungsbedürftigkeit zu erkennen.
Z.B. Patienten die an einer Manie leiden. Ein „Maniker“ fühlt sich zum Zeitpunkt der Manie super! Er hat oftmals unglaublich viele Ideen was er alles machen könnte. Mnachmal denkt er auch dass er Hellsehen oder Fliegen kann. Solche Leute kommen dann schon mal auf die Idee ihr Haus zu verkaufen und den Kaufvertrag für ein Flugzeug abzuschließen. Die Anzahlung wollen sie mit dem Geld leisten welches sie aus dem Verkauf des Hauses haben welches sie dadurch verdoppeln werden dass sie es beim Pokerspiel einsetzen und weil sie ja hellsehen können werden sie natürlich das Kapital verzehnfachen und dann mit dem gekauften Flugzeug eine eigenen Airline eröffnen.

Gibt man so einem Patienten bestimmte Medikamente, so hat man gute Chancen ihn innerhalb weniger Tage aus diesem Zustand der Manie heraus zu bekommen und so zu verhindern, dass der Patient sich z.B. finanziell völlig ruiniert oder soweit abdriftet dass er für sich und andere zur ernsthaften Gefahr wird.

Menschen die an so einer Erkrankung leiden haben häufig einen Betreuer zur Seite gestellt. Also jemanden der unter anderem erkennen soll wenn so einen manische Phase im Anlauf ist und der dann nach den vorgaben des bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) eine Unterbringung zur Heilbehandlung verfügen kann. Also jemanden der durch ein Gericht dazu bevollmächtigt wird zu sagen: „Hallo lieber Patient, da du deine eigenen Situation gerade nicht einschätzen kannst und weil ich sicher bin dass man Dir im Krankenhaus gut helfen kann, bestimme ich jetzt dass Du ab sofort im Krankenhaus behandelt wirst.“
Natürlich muss so was dann abermals richterlich kontrolliert werden, aber im Grunde lief es bisher so, und diese Unterbringung zur Heilbehandlung ermöglichte es uns als Ärzten diese Heilbehandlung auch gegen den erklärten Willen des Patienten, einschließlich der Verabreichung von Medikamenten, durchzuführen.

In einem Grundsatzurteil vom 17.7.2012 zerschlug der Bundesgerichtshof diesen Verfahrensweg nun. Der BGH begründet seine Stellungnahme so, dass auch psychisch Kranke über unveräußerliche Menschenrechte wie Freiheit und körperliche Unversehrtheit verfügen. Gerade psychisch Kranke, die nicht mehr zu einer eigenen Willensbildung fähig sind, müssen durch das Gesetz am stärksten und gründlichsten vor Unrecht geschützt werden.
Daher ist es laut BGH nicht zulässig, dem Betreuer eines solchen Patienten quasi eine Generalvollmacht zu geben und den Patienten so zum entrechteten Spielball von Ärzten, Betreuern, Angehörigen und Anwälten zu machen.

So wäre eine Unterbringung und mögliche freiheitsentziehende Maßnahmen durch die richterliche Zustimmung zur Unterbringung genehmigt, allerdings betrifft die Verabreichung von Medikamenten ein anderes Rechtsgut und zwar dass der körperlichen Unversehrtheit. Auf seine körperliche Unversehrtheit hat laut BGH natürlich auch ein untergebrachter und damit freiheitsentzogener Mensch Anspruch. Was bedeutet: Man kann ihm nur Medikamente applizieren wenn er sich entweder damit einverstanden erklärt oder eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben des Patienten besteht und diese Gefahr nicht anders abgewendet werden kann, als ihm eben diese Medikamente zu verabreichen.

Die bedeutet für uns Ärzte, dass wir nach unserer Garantenstellung zwar weiterhin verpflichtet sind unseren Patienten nach allen Regeln der ärztlichen Kunst und nach bestem Wissen und Gewissen zu helfen, allerdings dürfen für das eben nur dann wenn der Patient das auch möchte.

Konkret sieht dass dann im Stationsalltag so aus, dass wir einen Patienten zum Beispiel festbinden dürfen, allerdings dürfen wir ihm keine Medikamente mehr geben, die ihm helfen diese wirklich bedrohliche Situation des wehrlos Angebunden seins zu ertragen.
Es bedeutet auch dass ein Mensch dem nicht zugetraut wird genug Entscheidungsfähigkeit zu besitzen um zu entscheiden ob und wie er wo über die Straße läuft wegen dieser Unfähigkeit zur Meinungsbildung zwar einsperren dürfen. Allerdings traut man ihm durchaus die Entscheidungsfindung zu ob er Medikamente nehmen möchte oder nicht. Das Ende vom Lied ist dann dass wir psychisch Kranke in Zukunft vielfach nur noch „verwahren“ werden und ihnen, solange sie niemanden angreifen, ansonsten nur durch gutes Zureden behandeln dürfen.

Der einzige Weg doch eine Behandlung zu erreichen wäre durch eine richterliche Verfügung möglich, allerdings hat der BGH in dem oben genannten Urteil ja deutlich gemacht, dass es für so eine Verfügung einfach derzeit keine Rechtslage gibt!

Laut meinen Informationen hat der Bundesrat bereits vor Jahren einen Gesetzentwurf zur Behebung dieses Misstandes in den Bundestag eingebracht, dieser weigert sich allerdings nach meinem Kenntnisstand bis heute, sich diesem Gesetzentwurf anzunehmen.

Für die Angehörigen solcher Patienten muss es ein Horrorsein, wenn sie sich hilfesuchend an das Krankenhaus wenden um ihre Angehörigen dort Behandeln zu lassen und die einzige kompetente Stelle diese Angehörigen und ihre Patienten mit ihren Nöten abweisen muss. Denn die „Aufbewahrung“ von Patienten in einem Krankenhaus ohne eine Behandlung durchzuführen verstößt gegen das Sozialgesetz.

Danke, BGH!

Eure
Cori

P.S.: Der oben dargestellte Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, alle Angaben sind ohne Gewähr.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Zum Glück kann ich nur sagen verändert sich da mal was. Dem Patienten die Verantwortung für seine Medikation zu überlassen, auch in Fällen eines Schubs von Verschlechterung und einen Richter dazwischen zu schalten ist eben eine Vorgehensweise, die dem bisherigen Umgang nicht entspricht.
Ansätze in dieser Richtung gibt es bisher ja höchstens in systemisch ausgerichteten Suchtkliniken. Ich finds gut.

Übrigens, dein Bloghintergrund ist schrecklich und quält das Auge beim lesen.

Anonym hat gesagt…

ja, zum Blog-Hintergrund, aus purer Höflichkeit habe ich bisher nichts gesagt, aber es stimmt ... hell auf dunkel ist schwer zu lesen, auf Dauer .. nicht umsonst wird in allen Fachbüchern davon abgeraten ...

schwarz auf weiß ist nach wie vor das beste ..
aber ich lese den Blog trotzdem gerne, weil sich Cori wirklich Mühe macht und das Meiste auch richtig ist was sie so darlegt und schildert .. dafür nehme ich auch einen Augenschaden in kauf (*lach*)

kho