So unwahrscheinlich es auch war. Unser Plan funktionierte.
Rückblickend muss man sagen dass es wahrscheinlich das schlechteste war was uns
passieren konnte. Doch wie ging die Geschichte weiter. Da durch das Vordertor
des Palastes, in dem die Regierung von Turmus auch wohnte, kein Durchkommen
war, verfiel ich auf einen anderen Plan.
Vom Dach des Schreiberzylinders konnte man zum Tarnturm
hinüber sehen und genau dazwischen lag der deutlich niedrigere Palast vom Dach
aus konnte ich in den kleinen Garten hinter dem Palast blicken. Einen ganzen
Tag saß ich dort oben auf dem Dach und beobachtete die Ankunft und den Abflug
der riesigen Raubvögel. Wenn mich jemand fragte war es das Heimweh einer
Treverin die mich die Tarne beobachten ließ.
Doch auch die Wachen die in sehr weiten Abständen den Garten
des Palastes kontrollierten besah ich mir genau. Direkt im Garten oder auf der
Rückseite des Palastes waren so gut wie keine Wachen. Dort würde mein Weg
hinein liegen! Es gab dort eine Terrasse, auf die würde ich mich in der Nacht
wenn das Licht der Monde richtig stand, abseilen. Von dort konnte ich ohne
weiteres in den Palast eindringen.
Meine Chance war schon am Abend gekommen. Die En und die
anderen machten sich auf den Weg um die Prätorin die ihre geheimnisvolle Tasche
stets bei sich trug zu einem Bad einzuladen. Ich blieb in unserem Quartier
allein zurück. Ich hörte sogar wie die Wachen vor unserer Tür nachlässig wurden
da sie das Zimmer für leer wähnten. Ein Erfolg unserer Taktik uns permanent zu
verstreuen. Offenbar hatten unsere „Beschützer“ den Überblick verloren wie viele
wir eigentlich waren. Jedenfalls ließen sie die Tür unbewacht und machten sich
auf den Weg in die Halle im Erdgeschoss um sich die Zeit mit einem Zar-Spiel zu
vertreiben.
Ich ergriff meinen Kletterhaken und das lange Seil, wartete
bis die Nacht herein gebrochen war. Nachdem ich meine sonstige Ausrüstung in Form
einiger Drähte und kleiner Stahlschienen und Haken kontrolliert hatte ging ich
auf das Dach des Zylinders.
Kletterpartie an der Zylinderwand |
In den Straßen unter mir konnte ich die Menschen sehen die
in der kühlen Abendluft im Schein der Leuchtkristalle in den wohlhabenden Vierteln
und der Fackeln in dem Teilen wo die ärmeren Menschen wohnten ihren Geschäften
nach gingen. Während man im Süden den Abend meist auf den flachen Dächern der
Häuser verbringt, gab es in der Architektur von Turmus fast ausschließlich, die
in Zentralgor, sehr beliebten Spitzdächer die dem manchmal regnerischen Wetter
deutlich besseren Widerstand leisten konnten. Daher würde kaum jemand nach oben
blicken. Die Menschen hatten genug am Boden zu tun.
Ich schlang das Seil um eine der Säulen mit einem Schlingenknoten
befestigte ich es und legte es in einer zweiten Bahn zurück zu dem recht
schweren Wurfhaken. Dann ließ ich das Seil mit dem Haken über die Mauer in die
Tiefe fallen wo es mit einem leisen Klirren gegen die Mauer des Zylinders
schlug und wartete kurz ob sich ein Wächter zeigen würde.
Als das nicht der Fall war kletterte ich an dem Seil
hinunter und setzte meinen Fuß wenige Augenblicke später auf die Terrasse des
Palastes von Turmus. Das Seil hing in einer verschatteten Wandnische. Kurz
erwog ich es einfach dort hängen zu lassen um einen Rückweg zu haben der nicht
an den Wachen vorbei führte.
Aber das Risiko einer Entdeckung erschien mir größer also
zog ich an dem unbelasteten Ende der zweiten Seilbahn wodurch sich der Knoten
oben an der Säule lösen würde und das Seil mit einem leisen Surren und Klatschen
zu mir herab fiel.
Rasch huschte ich immer wieder lauschend ins Innere des
Palastes. Die Terrasse war nicht mal versperrt gewesen. Obwohl das Innere
geschmackvoll eingerichtet war, war ich doch überrascht wie bescheiden die Prätorin
und ihr Gefährte offenbar lebten. Etwas Spielzeug lag herum weswegen ich
schloss dass die oberste Verwalterin offenbar ein Kind hatte. Kurz musste ich
die Erkenntnis vertrieben dass der Lebensweg den ich gewählt hatte mich niemals
zu diesem Glück verhelfen würde von dem man sagte dass es der wahre Sinn des Lebens
sei.
Nein ich war eine Gesetzlose, eine Ausgestoßene. Eine mit
der Männer allenfalls ihren Spaß zum Zeitverteib haben würden wenn die
Krakenarme der städtischen zivilisierten Gesellschaft meiner je wieder habhaft
werden sollten. Lange hatte ich gebraucht um jedes Gefühl der Liebe und jede
Sehnsucht nach Romantik aus meinem Herzen zu verbannen und so empfand ich das
einzige Gefühl das vor Sehnsucht und Verlangen schützen kann. Ich empfand Hass,
als ich das Gemälde eines kleinen Kindes sah, welches mit weit aufgerissenen,
erstaunten Augen, etwas verunsichert und doch brav und artig den Maler
angesehen hatte.
Während ich mich daran machte die gesamte Wohnung zu
durchsuchen ergriff mich ein unglaublicher Hass auf diese Amira! Nicht weil sie
mir etwas getan hatte. Im Gegenteil, wir waren es, die gerade im Begriff waren
ihr etwas zu tun. Nein, weil sie so perfekt zu sein schien. Sie war eine
angesehen Frau in ihrer Stadt, lebte in einem Palast, hatte einen Gefährten der
sich um sie sorgte, ein Kind das sie aufwachsen sehen konnte. Sklaven waren ihr
zu diensten. Aber sie missbrauchte ihre Macht und ihren Einfluss offenbar nicht
sondern war treu, fürsorglich und bescheiden geblieben. So sehr dass sie
schiffbrüchigen Frauen die Gastfreundschaft ihrer Stadt zu teil werden ließ
ohne etwas dafür zu verlangen. Welche andere Möglichkeit hatte eine
ausgestoßene, geschändete, gejagte Frau wie ich denn. Elches andere Gefühl
konnte mich davon abhalten sie zu bewundern und zu lieben, wenn nicht Hass?
Ich musste aufpassen dass meine Gedanken mich nicht zu sehr
ablenkten. Mit flinken Händen durchsuchte ich Schublade um Schublade, jedes Regal
und jede Kiste, jede Truhe und Kommode, selbst unter dem Teppich sah ich nach.
Schon in Treve als Mädchen hatte ich mir auf der Straße als Diebin etwas dazu
verdient da es für Dichterinnen keine allzu große Nachfrage in der Stadt der
Tarnreiter gibt, und so viel es mir nicht schwer alles wieder an genau die
gleiche Stell zu legen ander ich es gefunden hatte.
In den Gemächern der Prätorin |
Und plötzlich fand ich es. Ich weiß nicht mehr woher aber
als ich zwei kleine Metallkästchen unter einem Regal mit Schriftrollen
erblickte wusste ich dass des das war weswegen ich gekommen war. Vielleicht lag
es daran dass diese beiden Kästchen wie sie da standen einfach nicht in das Bild
eines geordneten Regals mit Schriftrollen passen. Es gab einfach keine Erklärung
dafür die sich „richtig anfühlte“.
Ich ergriff die kästchen und öffnete sie. Mit Enttäsuchung
stellte ich fest dass eines leer war. Das andere aber enthielt ein Stück
Rancepapier auf dem kleine Schriftzeichen geschrieben standen. Da ich das Lesen
autodidaktisch gelernt hatte, war ich noch nie jemand gewesen der schnell lesen
und erfassen konnte. Aber diese Schriftzeichen verstand ich garnicht! Völlig
wirr was da stand! Das musste das Geheimnis sein!
Schnell faltete ich das Papier und steckte es in den
Ausschnitt meines Kleides. Dann stellte ich die Kästchen wieder an ihren Platz
und eilte auf die Terrasse. Von dort kletterte ich in den Garten und stahl mich
geduckt in die Nacht davon.
In Windeseile stürmte ich in den Zylinder ins Teehaus
welches für heute als Treffpunkt ausgemacht war um zu sehen ob die anderen
Schwestern schon dort waren. Natürlich waren sie nicht da. Sicher würde die
Prätorin das Fehlen ihres offenbar verschlüsselten Geheimdokumentes rasch
bemerken. Ich musste sie also auf eine falsche Fährte setzen. Kurz überlegte
ich ob ich nicht, die in dem Teehaus arbeitende Kajira Honey mit einem Auftrag
in die Ferne schicken sollte um ihr den Diebstahl in die Schuhe zu schieben,
doch als Sklavin der Stadt würde sie nicht bereit sein für eine Fremde Boten Gänge
zu übernehmen…was sollte ich tun?
Ich wusste nicht wo die Schwestern waren und trug in einer
fremden Stadt ein gestohlenes Geheimdokument mit mir herum welches vielleicht
genau so wertvoll war wie der Heimstein selbst. Soetwas hatte unser Plan
irgendwie, damals in der fernen Heimat nicht vorgesehen. Wir dachten dass wir
irgendwas aufsammeln konnten das am Rande eines Schlachtfeldes liegen geblieben
war, aber dass wir ein Geheimnis entdecken konnten welches vielleicht die
Lebensader einer ganzen Stadt betraf hatten wir nicht erwartet.
Wir mussten Turmus verlassen und zwar bald.
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