Sonntag, 26. Mai 2013

Das Geheimnis von Turmus - Ein Einbruch in der Nacht



So unwahrscheinlich es auch war. Unser Plan funktionierte. Rückblickend muss man sagen dass es wahrscheinlich das schlechteste war was uns passieren konnte. Doch wie ging die Geschichte weiter. Da durch das Vordertor des Palastes, in dem die Regierung von Turmus auch wohnte, kein Durchkommen war, verfiel ich auf einen anderen Plan.

Vom Dach des Schreiberzylinders konnte man zum Tarnturm hinüber sehen und genau dazwischen lag der deutlich niedrigere Palast vom Dach aus konnte ich in den kleinen Garten hinter dem Palast blicken. Einen ganzen Tag saß ich dort oben auf dem Dach und beobachtete die Ankunft und den Abflug der riesigen Raubvögel. Wenn mich jemand fragte war es das Heimweh einer Treverin die mich die Tarne beobachten ließ.

Doch auch die Wachen die in sehr weiten Abständen den Garten des Palastes kontrollierten besah ich mir genau. Direkt im Garten oder auf der Rückseite des Palastes waren so gut wie keine Wachen. Dort würde mein Weg hinein liegen! Es gab dort eine Terrasse, auf die würde ich mich in der Nacht wenn das Licht der Monde richtig stand, abseilen. Von dort konnte ich ohne weiteres in den Palast eindringen.

Meine Chance war schon am Abend gekommen. Die En und die anderen machten sich auf den Weg um die Prätorin die ihre geheimnisvolle Tasche stets bei sich trug zu einem Bad einzuladen. Ich blieb in unserem Quartier allein zurück. Ich hörte sogar wie die Wachen vor unserer Tür nachlässig wurden da sie das Zimmer für leer wähnten. Ein Erfolg unserer Taktik uns permanent zu verstreuen. Offenbar hatten unsere „Beschützer“ den Überblick verloren wie viele wir eigentlich waren. Jedenfalls ließen sie die Tür unbewacht und machten sich auf den Weg in die Halle im Erdgeschoss um sich die Zeit mit einem Zar-Spiel zu vertreiben.

Ich ergriff meinen Kletterhaken und das lange Seil, wartete bis die Nacht herein gebrochen war. Nachdem ich meine sonstige Ausrüstung in Form einiger Drähte und kleiner Stahlschienen und Haken kontrolliert hatte ging ich auf das Dach des Zylinders.

Kletterpartie an der Zylinderwand
In den Straßen unter mir konnte ich die Menschen sehen die in der kühlen Abendluft im Schein der Leuchtkristalle in den wohlhabenden Vierteln und der Fackeln in dem Teilen wo die ärmeren Menschen wohnten ihren Geschäften nach gingen. Während man im Süden den Abend meist auf den flachen Dächern der Häuser verbringt, gab es in der Architektur von Turmus fast ausschließlich, die in Zentralgor, sehr beliebten Spitzdächer die dem manchmal regnerischen Wetter deutlich besseren Widerstand leisten konnten. Daher würde kaum jemand nach oben blicken. Die Menschen hatten genug am Boden zu tun.

Ich schlang das Seil um eine der Säulen mit einem Schlingenknoten befestigte ich es und legte es in einer zweiten Bahn zurück zu dem recht schweren Wurfhaken. Dann ließ ich das Seil mit dem Haken über die Mauer in die Tiefe fallen wo es mit einem leisen Klirren gegen die Mauer des Zylinders schlug und wartete kurz ob sich ein Wächter zeigen würde.

Als das nicht der Fall war kletterte ich an dem Seil hinunter und setzte meinen Fuß wenige Augenblicke später auf die Terrasse des Palastes von Turmus. Das Seil hing in einer verschatteten Wandnische. Kurz erwog ich es einfach dort hängen zu lassen um einen Rückweg zu haben der nicht an den Wachen vorbei führte.  

Aber das Risiko einer Entdeckung erschien mir größer also zog ich an dem unbelasteten Ende der zweiten Seilbahn wodurch sich der Knoten oben an der Säule lösen würde und das Seil mit einem leisen Surren und Klatschen zu mir herab fiel.

Rasch huschte ich immer wieder lauschend ins Innere des Palastes. Die Terrasse war nicht mal versperrt gewesen. Obwohl das Innere geschmackvoll eingerichtet war, war ich doch überrascht wie bescheiden die Prätorin und ihr Gefährte offenbar lebten. Etwas Spielzeug lag herum weswegen ich schloss dass die oberste Verwalterin offenbar ein Kind hatte. Kurz musste ich die Erkenntnis vertrieben dass der Lebensweg den ich gewählt hatte mich niemals zu diesem Glück verhelfen würde von dem man sagte dass es der wahre Sinn des Lebens sei.

Nein ich war eine Gesetzlose, eine Ausgestoßene. Eine mit der Männer allenfalls ihren Spaß zum Zeitverteib haben würden wenn die Krakenarme der städtischen zivilisierten Gesellschaft meiner je wieder habhaft werden sollten. Lange hatte ich gebraucht um jedes Gefühl der Liebe und jede Sehnsucht nach Romantik aus meinem Herzen zu verbannen und so empfand ich das einzige Gefühl das vor Sehnsucht und Verlangen schützen kann. Ich empfand Hass, als ich das Gemälde eines kleinen Kindes sah, welches mit weit aufgerissenen, erstaunten Augen, etwas verunsichert und doch brav und artig den Maler angesehen hatte.

Während ich mich daran machte die gesamte Wohnung zu durchsuchen ergriff mich ein unglaublicher Hass auf diese Amira! Nicht weil sie mir etwas getan hatte. Im Gegenteil, wir waren es, die gerade im Begriff waren ihr etwas zu tun. Nein, weil sie so perfekt zu sein schien. Sie war eine angesehen Frau in ihrer Stadt, lebte in einem Palast, hatte einen Gefährten der sich um sie sorgte, ein Kind das sie aufwachsen sehen konnte. Sklaven waren ihr zu diensten. Aber sie missbrauchte ihre Macht und ihren Einfluss offenbar nicht sondern war treu, fürsorglich und bescheiden geblieben. So sehr dass sie schiffbrüchigen Frauen die Gastfreundschaft ihrer Stadt zu teil werden ließ ohne etwas dafür zu verlangen. Welche andere Möglichkeit hatte eine ausgestoßene, geschändete, gejagte Frau wie ich denn. Elches andere Gefühl konnte mich davon abhalten sie zu bewundern und zu lieben, wenn nicht Hass?

Ich musste aufpassen dass meine Gedanken mich nicht zu sehr ablenkten. Mit flinken Händen durchsuchte ich Schublade um Schublade, jedes Regal und jede Kiste, jede Truhe und Kommode, selbst unter dem Teppich sah ich nach. Schon in Treve als Mädchen hatte ich mir auf der Straße als Diebin etwas dazu verdient da es für Dichterinnen keine allzu große Nachfrage in der Stadt der Tarnreiter gibt, und so viel es mir nicht schwer alles wieder an genau die gleiche Stell zu legen ander ich es gefunden hatte.

In den Gemächern der Prätorin
Und plötzlich fand ich es. Ich weiß nicht mehr woher aber als ich zwei kleine Metallkästchen unter einem Regal mit Schriftrollen erblickte wusste ich dass des das war weswegen ich gekommen war. Vielleicht lag es daran dass diese beiden Kästchen wie sie da standen einfach nicht in das Bild eines geordneten Regals mit Schriftrollen passen. Es gab einfach keine Erklärung dafür die sich „richtig anfühlte“.

Ich ergriff die kästchen und öffnete sie. Mit Enttäsuchung stellte ich fest dass eines leer war. Das andere aber enthielt ein Stück Rancepapier auf dem kleine Schriftzeichen geschrieben standen. Da ich das Lesen autodidaktisch gelernt hatte, war ich noch nie jemand gewesen der schnell lesen und erfassen konnte. Aber diese Schriftzeichen verstand ich garnicht! Völlig wirr was da stand! Das musste das Geheimnis sein!

Schnell faltete ich das Papier und steckte es in den Ausschnitt meines Kleides. Dann stellte ich die Kästchen wieder an ihren Platz und eilte auf die Terrasse. Von dort kletterte ich in den Garten und stahl mich geduckt in die Nacht davon.

In Windeseile stürmte ich in den Zylinder ins Teehaus welches für heute als Treffpunkt ausgemacht war um zu sehen ob die anderen Schwestern schon dort waren. Natürlich waren sie nicht da. Sicher würde die Prätorin das Fehlen ihres offenbar verschlüsselten Geheimdokumentes rasch bemerken. Ich musste sie also auf eine falsche Fährte setzen. Kurz überlegte ich ob ich nicht, die in dem Teehaus arbeitende Kajira Honey mit einem Auftrag in die Ferne schicken sollte um ihr den Diebstahl in die Schuhe zu schieben, doch als Sklavin der Stadt würde sie nicht bereit sein für eine Fremde Boten Gänge zu übernehmen…was sollte ich tun?

Ich wusste nicht wo die Schwestern waren und trug in einer fremden Stadt ein gestohlenes Geheimdokument mit mir herum welches vielleicht genau so wertvoll war wie der Heimstein selbst. Soetwas hatte unser Plan irgendwie, damals in der fernen Heimat nicht vorgesehen. Wir dachten dass wir irgendwas aufsammeln konnten das am Rande eines Schlachtfeldes liegen geblieben war, aber dass wir ein Geheimnis entdecken konnten welches vielleicht die Lebensader einer ganzen Stadt betraf hatten wir nicht erwartet. 

Wir mussten Turmus verlassen und zwar bald.



Keine Kommentare: