Freitag, 12. Oktober 2012

Wenn ich einmal alt bin...

Gerade wurde ich zu einer 75 Jahre alten Patientin mit einer degenerativen Hirnerkankung gerufen. Sie hat inzwischen einen künstlichen Mageneingang, worüber man ihr in kleinen Mengen Flüssigkeit, Nahrung und Medikamente geben kann. Selber kann sie nicht mehr essen oder schlucken.

Durch ihre Erkrankung kann sie sich auch kaum noch selber Bewegen. Es geht so schlecht, dass sie seit sehr langer Zeit die Beine und Arme eng an den Körper gezogen hat, so dass ihre Musken und Sehnen sich so sehr verkürzt haben, dass man ihre Beine und Arme garnichtmehr gerade bekommt.

Auch ihre Wahrnehmung und ihr Denken ist beeinflusst. Schon seit einigen Jahren hat sich der Schatten der Demenz über ihr Bewusstsein gelegt und manchmal scheinen ihr Trugbilder zu erscheinen, dann liegt sie gurgelnd und schwer atmend in ihrem Bett und schreit weined wie ein kleines Kind um Hilfe doch nur Gott allein weiss wovor sie sich fürchtet.

Manchmal frage ich mich was sie sieht? Sind es schattenhafte Dämonen die Duchs zimmer Huschen, glaubt sie dass es um sie herrum brennt wenn sie keuchend und hustend hervor stammelt so dass man es kaum verstehen kann: "Bitte, helfen Sie mir...". Erlebt sie vielleicht erneut die Schrecken des Bombenkrieges den sie als Kind gesehen hat?

Ihre Fersen und der Po sind wundgelgen und so liegt sie zusammengekauert, wie ein Embryo von Kissen gestützt in ihrem Krankenbett und ich Mühe mich, ihr eine neue Flexüke zu legen um ihr eine Antibiotikum zu geben, da sie sich an ihrem eigenen Mageninhalt oder Seichel verschuckt hat und nun eine Lungenentzündung bekommt.

Unten aus ihrer Scheide hängt jetzt ein dünner Plastikschlauch durch den ihr Urin in einen Auffangbeutel tropft. Alles geht durch einen Schlauch in sie hinein und kommt durch einen Schlauch wieder heraus.
Und mehrmals am Tag drehen hände in Plastikanhdschuhen sie einmal von der linke uaf die rechte Seite.

Manchmal bitte ich sie, die Augen zu schließen wenn sie mich verstehen kann. Manchmal tut sie es. Dann wieder schaut sie mich an und durch mich hindurch und ich weiss dass sie alles mögliche sieht, nur nicht mich.

Nichts und niemand kann dieser Frau noch etwas geben dass entfernt mit unserem Gedanken an Lebensqualität vereinbar ist. Wir zeichnen ihren Herzschlag auf, protokollieren ihre Ausscheidung und ihre Körpertemperatur.

Wenn sie halluziniert bekommt sie Medikamente, wenn sie Fieber bekommt drücken wir es mit Paracetamol weg und schalten die Erreger mit Antibiotika aus und aller paar Tage stechen wir einer Nadel durch ihre Haut damit wir einen venösen Zugang haben und sie weiter ohne aussicht auf Erfolg behandeln können.

Doch so sinnlos wir unser Handeln an ihr auch finden: Wir müssen es tun. Ihr Mann möchte nicht dass sie stirbt. Und er versichter, dass der Mutmaßliche Willer seiner Frau gewesen wäre zu leben.

Was wird mein mutmaßlicher Wille sein wenn es bei mir einmal soweit ist?

Vor nicht allzulanger Zeit meinte ich in einer sehr ähnlichen Position zu sein, heute weiß ich dass vieles davon deutlich "harmloser" war als es mir damals schien, doch genau vor diesem Zustand indem man garnichts mehr kann wird es mich immer fürchten.

Kein Genuß mher an der Bewegung, keine Freude mehr am Essen. Keine Möglichkeit zu Lachen oder mehr aus drei Worte zu sprechen. Und nichtmal mehr das Reich der Phantasie und der Träume steht einem als Refugium offen da dort finstere schattenhafte Geister und Monster auf den Ruhe suchenden Träumer warten. Spürt sie die Schmerzen von ihren Beinen überhaupt noch?

Wenn ich so ein Siechtum sehe, dann bete ich abends, dass mein Tod schnell gehen möge und dass mein Mann den Mut hat mich gehen zu lassen.

Eure
Cori

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo Cori,

was soll man zu so einen traurigen Bericht sagen. Mir fällt eine Begenheit ein, im Häuschen neben unseren wohnte eine alte Dame, sie war wohl 78 Jahre alt. Eines Morgens blieben die Rolläden geshlossen. Wir klingelten und klopften, dann riefen wir die Polizei, danach kamen Schlüsseldienst und Notarzt. Der Notarzt kam aus dem Haus und sagte nur "Tod erster Klasse". Sie war nachts in ihren Bett gestorben. Nun begreife ich seinen Satz.

Sulu Nurmi

Unfrei hat gesagt…

Wann ist Leben lebenswert? Mit dieser Frage beschäftigt sich der Mensch seit Jahr und Tag und kann keine pauschale, zufriedenstellende Antwort finden.

Mut zum gehen lassen? Mut zum Aufgeben? Viel verlangt, selten gesehen Cori.

Sagst du das auch Eltern, die um das Leben ihres frühgeborenen Kindes kämpfen lassen, dass an Schläuchen in einem Brutkasten liegt und von dem du weißt, dass es vermutlich schlimm ausgehen wird?

Loslassen ist schwerer, als wir glauben.

Cori Panthar hat gesagt…

@ Sue: Ja manchmal begreift man Dinge die man hört und sieht erst viel viel später. Mir geht es mit vielen Dingen aus meinem Studium so. Wenn ich zu den erfahrenene Kollegen entrüstet sagte: "Aber da muss man doch..." und dann eine elendlange Litanei aus Untersuchung und Behandlungsmöglichkeiten aufzählte. Heute habe ich gelernt dass die Erste Entscheidung eines Notarztes der zu Hilfe gerufen wird ist, zu entscheiden ob man überhaupt anfängt was zu machen, oder ob man einfach nur eien Hand hält und später die Angehörigen kurz tröstet bevor man zum nächsten Einsatz muss.

@Unfrei: Ich weiss dass das schwer ist. Denn in Gedanken werden wir selbst im stumpfesten Blick und den entündesten kleinen augen im blassesten Gesichtchen noch den Menschen sehen der uns als jugendlicher Libevoll zugelächelt hat, der uns Trost gespendet hat und der der für uns da war. Leider habe ich bisher nicht ds Glück gehabt schwanger zu sein, aber ich denke mir dass man immer das kleinen Baby vor augen haben wird, die Bewegungen im Bauch fühlen wird und die Freude in erinnerung haben wird, die man hatte als man wusste dass das Baby kommt.

Ein Kind zu verlieren ist sicher mit das Härteste was es gibt. Auch für die Ärzte und Schwestern und Rettungsassitenten stellt der Tod von Kindern und Säuglingen eine ganz besondere Bealstung dar. Das Gute aber ist, dass man bei einem Kind immer noch Hoffnung hat, irgendwie, Doch so ein alter Mensch welche Hoffnung hat der?