Sonntag, 14. Oktober 2012

Sei mal nett, ey!


Vorgestern bin ich zum ersten Mal seit langer Zeit mal wieder Auto gefahren. Meine Fahrerlaubnis habe ich in Berlin erworben. Also einem Pflaster wo sich einige nichmal nach jahrelanger Fahrpraxis auf den Asphalt trauen.

Bisher dachte ich immer, och das ist doch alles nicht so wild. Wenn man vorausschauend fährt gibt’s keine Probleme. Früher wurde ich auch nie angehupt. Hat sich soviel getan? Seit einem dreiviertel Jahr?

Als ich gestern unterwegs war bin ich auf der Berliner Stadtautobahn gewesen. Bisher dachte ich immer es ist verboten auf der Autobahn rechts zu überholen aber ich wurde gestern drei Mal von anderen Autos rechts überholt obwohl die linke spur noch frei gewesen wäre. Leute Die sich beim Einfädeln links vordrängeln ihre eigenen Geschwindigkeit falsch einschätzen und dann warten müssen bevor sie sich zum weiterfahren ein ordnen können Hupen urplötzlich los.

Überhaupt wird viel mehr gehupt. Jedes Mal wenn man mal bremsen muss weil jemand einen Parkplatz sucht, wird gehupt. Jemand geht über die Straße, man müsste einfach etwas langsamer fahren. Nein man rasiert dem mit dem Kotflügel fast die Hacken ab und hupt!

Radfahrer auf der Straße: Hupen. Ampelphase nicht mehr erwischt: Hupen. Jwamdn wendet vor einem: Hupen. Mir hat mein Fahrlehrer mal beigebracht dass man zum Autofahren vor allem Geduld braucht.
Gut zu sehen: Der Ellenbogen.

Aber auch in anderen Bereichen hat die Rücksichtslosigkeit enorm zugenommen: Ich habe noch gelernt dass man alte Menschen an der Kasse im Supermarkt auch mal vorlassen kann. Oft können die alten Ömchen mit ihren Rollatoren eben nicht so lange stehen. Warum sie also nicht einfach schnell vorlassen mit ihren drei Jogurts und einer Fertignudelsuppe?

Vorgestern im Bus. Alle Plätze besetzt, ein älterer Herr  auf Krücken steigt ein. Auf den Sitzen massenhaft junge Erwachsne und Jugendliche. Alle tippten sie auf ihren Smartphones herum. Nur eine stand auf. Ich. Und weil der Mann ein Gentleman alter Schule war, sagte er: „Oh vielen Dank, junge Frau, aber bleiben sie ruhig sitzen, Sie sind ja die Dame.“

Weil ich es nicht ertragen konnte zu sehen wie er da bei jedem Schlagloch (ja Berlins Straßen sind ein Acker, zumindest die in Lichterfelde) hin und her schwankte, hab ich dann behauptet ich müsse an der nächsten Station eh aussteigen. Das war zwar zwei zu früh aber so habe ich gleich noch einen kleinen Spaziergang gemacht.

Neulich ist mir mal ein Platz angeboten worden in der S-Bahn. Ich hatte ein Fahrrad dabei und ein mittelalter, Mann stand auf und bedeutete mir mich zu setzten, er sprach leider kein Deutsch und hatte etwas dreckige Kleider an, so als würde er wo arbeiten wo es viel Staub und Schmutz gibt. Ich war dankbar nicht die ganze Fahrt mit dem Fahrrad stehen zu müssen. Aber sonst bemerkte niemand mein Problem

Bei Treppen ist es das gleiche. Wie oft habe ich jungen Müttern oder Vätern geholfen ihre Kinderwagen die Bahnhofstreppen herunter zu tragen. Aber außer mir kommt niemand mehr auf die Idee bei so was Hilfe anzubieten. Also buckeln wir zwei eben den Buggy die Stufen runter?

Wo sind sie dann hin, die jungen Männer mit ihren Sixpack-Bäuchen und ihren wie gemeißelt wirkenden Rückenmuskeln? Aber die Mädels sind nicht besser. Mir zum Beispiel ist es unangenehm wenn fremde Menschen zu nahe an mich heran kommen. Anderen überhaupt nicht. Wenn ich also an der Linie stehe und darauf warte dass die Kundin vor mir fertig wird bei der Post interpretiert mindestens eine Zicke das so als würde ich gar nicht anstehen. Also säuselt man ein „Darf ich mal.“, zieht mir so einen scheiß Handtaschenschnalle über den Arm, sagt „Sorry“ und stellt sich an den Schalter wo ich gerade anstand. Von hinten fährt mir eine Omi mit ihrem Trolli in die Haxen empfindet das aber nicht als Grundlage für eine Entschuldigung.

Kommt es nur mir so vor oder wird unsere Gesellschaft immer Ellenbogenlastiger?

Eure
Cor

5 Kommentare:

Justin hat gesagt…

Willkommen in der Realität. Im Ruhrgebiet ist es sogar noch schlimmer teilweise. Da herrscht auch mal das Faustrecht, kein Wunder, dass dort die Polizisten in letzter Zeit sehr angespannt sind.

Anonym hat gesagt…

Hallo Cori,

leider kann ich deine Beobachtungen nur bestätigen. Irgendwie scheint sich in diesem Land eine schleichende Gehirnkrankheit breitzumachen, die sich durch eine absolute Rücksichslosigkeit bemerkbar macht. Leider beschränkt sich diese Beobachtung nicht nur auf junge Menschen, nein es geht kunterbunt durch alle Alters- und Bevölkerungsschichten. Aber wie dagegen ankämpfen?

Sulu Nurmi

Cori Panthar hat gesagt…

Na ich glaube das einzige was dagegen hilft, ist eben nicht so zu sein. Die Hoffnung auf besserung nicht aufzugeben und den eigenen Kindern, so man welche hat nicht bekbringen: "Nimm was Du kannst und schlag zu wenn sich die Gelegenheit ergibt" sondern ihnen zeigen dass es schön ist auch an andere zu denken, es macht ein gutes Gefühl.

Anonym hat gesagt…

warum bist du denn nicht rechts gefahren, denn da wird ja frei gewesen sein, wenn man Dich rechts überholen konnte.

Nicht, das es richtig wäre, das zu tun...aber Schnecken auf der mittleren Spur verleiten andere dazu und provzieren damit Unfälle

In D gilt Rechtsfahrgebot....

Unknown hat gesagt…

Hallo Cori,

nein leider nicht. Man erlebt es Tag für Tag bei den vielen Kleinigkeiten, über die Du schreibst. Das beste Beispiel sind Mitbewohner im Haus, die nie den Mund zum Grüßen aufbekommen.

Gipfeln tut das Ganze, in einem intranzparenten Arbeitsmarkt und einer unwürdigen Behandlung Arbeitssuchender. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel. Aber Personaldienstleister sind moderne Sklavenhändler und gehören verboten.

Aber was soll man auch von Kindern und Jugendlichen erwarten, die Tag für Tag die Probleme ihrer Eltern erleben, und die einfach keine Chance mehr sehen. Leider ist es so das unsere Gesellschaft immer weiter auseinanderdriftet. Denn von sozialer Marktwirtschaft kann schon lange keine Rede mehr sein.

Irgendwann wird genau diese soziale Schieflage wieder für enorme Probleme, sprich der Destabilisierung der ökonomischen und politischen Systeme, sorgen. Hoffentlich erlebe ich das nicht mehr.

Dabei wäre alles so "einfach". Die antgestrebten Gewinnprozente könnten einstellig sein. Oder weg von kurzfristiger Gewinnmaximierung hin zu langfristiger Gewinnsicherung.

Ciao!
Juels